Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
schwer, sie sah einen blitzenden Degen, der im Farn herumstocherte, und dann war die fremde Gestalt ganz dicht vor ihnen, plumpe Hände rissen die zarten Jasminblüten auseinander. Ohne die geringste Deckung sahen sich John und Elizabeth plötzlich einem Soldaten gegenüber.
Was dann geschah, konnte sich Elizabeth niemals erklären. Sie starrte zu dem Fremden hinauf, nicht wissend, daß ihr Gesicht schneeweiß geworden war und eine wilde, dunkle Angst in ihren Augen stand. Sie hielt noch immer einen Arm um John gelegt, und ihre Finger waren jetzt auch schon voller Blut. Es kam ihr endlos vor, und doch waren es nur wenige Sekunden, in denen sie und der Soldat einander ansahen. Sie erwartete einen Schrei von ihm oder sogar einen Angriff, aber nichts geschah. Er blickte ihr direkt in die Augen, dann ließ er die Äste, die er beiseite gezogen
hatte, wieder wie einen Vorhang fallen. Die schwarzen Stiefel entfernten sich.
»Hier hinten sind sie auch nicht«, ertönte seine Stimme. »Sie müssen weiter gekommen sein, als wir dachten.«
»Ich verstehe das nicht. Ich bin ganz sicher, daß ich Carmody getroffen habe.«
Der Trupp trampelte in die entgegengesetzte Richtung von Johns und Elizabeths Versteck davon.
»Das kann nicht wahr sein«, hauchte Elizabeth, »das kann einfach nicht wahr sein. Warum hat er das getan?«
»Entweder waren es deine blauen Augen oder eine innere Stimme Gottes«, murmelte John, »aber jetzt müssen wir ganz schnell von hier fort. Irgendwann kommen sie zurück, und zweimal haben wir nicht soviel Glück.«
Sie half ihm aufzustehen, und sie versuchten, sich so leise und unauffällig wie möglich aus dem Staub zu machen. Es fiel ihnen nicht leicht, knackende Äste und raschelndes Laub zu vermeiden, denn John war kaum noch in der Lage, sich vorwärts zu bewegen. Nach dem ersten Schock verstärkten sich nun die Schmerzen, wie Elizabeth an seinem verzerrten Mund und den immer wieder für einen kurzen Augenblick sich schließenden Augen merkte. Nicht einmal stöhnen durfte er, keinen Moment lang ausruhen. Weil er so schlecht aussah, zog Elizabeth kurz in Erwägung, doch noch das Risiko einzugehen und Pferd und Wagen aus dem Stall des Wirtshauses zu holen. Aber John wehrte sofort ab. »Das kostet zuviel Zeit«, sagte er mühsam, »wir müssen es so schaffen.«
Über ein kurzes Stück Feld erreichten sie den nahen Wald. Hier konnten sie sich bereits recht sicher fühlen, aber sie blieben dennoch nicht stehen, sondern kämpften sich verbissen weiter voran. John stützte sich inzwischen so schwer auf Elizabeth, daß sie ins Wanken geriet, außerdem stach der unebene Waldboden fast unerträglich in ihre nackten Füße. John muß Schlimmeres aushalten, also stell dich nicht an, befahl sie sich, aber hätte ich doch bloß Schuhe angezogen, verdammt noch mal!
Sie hasteten vorwärts, Stunde um Stunde, bis es Mittag wurde.
Elizabeth hatte beinahe keinen Atem mehr, und Johns Gesicht war ganz grau geworden, seine Lippen sahen erschreckend blutleer aus. Er hielt einen Fetzen Stoff, den Elizabeth aus ihrem Kleid gerissen hatte, gegen die Wunde, aber das Blut sickerte auch durch diesen Notverband. Taumelnd vor Schwäche lehnte er sich schließlich gegen einen Baum.
»Ich kann nicht mehr«, sagte er mit heiserer Stimme, »ich muß mich ausruhen, und wir müssen den Arm abbinden, sonst verliere ich zuviel Blut.«
Er ließ sich auf den Boden fallen und blieb regungslos mit geschlossenen Augen sitzen. Elizabeth kniete neben ihm nieder, riß sich ein weiteres Stück Stoff aus dem Kleid und band den Arm oberhalb der Wunde ab. Sie arbeitete sehr schnell, äußerlich ruhig, innerlich nahe daran zu weinen. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, nun, da die erste unwirkliche Überwältigung der Ereignisse vom frühen Morgen nachließ und zitternde Erschöpfung über sie hereinbrach. »Ach John, wenn du nur durchhältst«, flüsterte sie, »wir müssen irgendwie nach London zurückkommen, wo es Leute gibt, die uns verstecken und einen Arzt für dich besorgen.«
»Wer sollte uns verstecken? Außerdem schaffen wir es nicht bis nach London. Mein Arm tut so verflucht weh!«
»Du darfst jetzt nicht aufgeben, John. Du bist stark genug und wirst es schaffen.«
John lächelte ironisch.
»Natürlich bin ich stark genug«, sagte er, »natürlich! Aber du wärst wirklich besser nach Norfolk gegangen.«
»Rede jetzt bitte keinen Unsinn mehr. Schlaf lieber, dann fühlst du dich nachher besser.«
Tatsächlich schlief John
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