Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
auch nicht, aber John ist schon den ganzen Tag verschwunden. Ich weiß nicht, wo er steckt!«
»Das ist aber wirklich ärgerlich«, murmelte Billy. Er stand so unentschlossen herum, daß Elizabeth ihrem heftigen Wunsch, sich abermals in den Schlaf gleiten zu lassen, widerstand, sich erhob und fragte:
»Müssen Sie ihm denn etwas Wichtiges sagen?«
»Ja ... nun, vielleicht ist es wichtig, vielleicht auch nicht, wer kann das sagen ... «
»Billy, bitte, sagen Sie es mir!«
»Ich will Sie aber doch nicht erschrecken, Miss!«
»Ach, das haben Sie ja gerade schon getan! Also reden Sie jetzt!«
»Es ist ja vielleicht nur ein Gerücht, aber oft ist an Gerüchten was Wahres dran. In einer Kneipe haben sie erzählt, daß John auf der schwarzen Liste steht, so nennt man das wohl...«
Elizabeth leckte sich über die ausgetrockneten Lippen.
»Wer sprach davon?« fragte sie.
»Einige Leute aus unserer Gegend. John ist sehr bekannt.«
»Ja und was bedeutet das?«
»Na, manche meinen, er soll in den nächsten Tagen verhaftet werden. Während Sie... fort waren«, er blickte sie verlegen an, offenbar wußte er von Mrs. Hall, »da hat er wieder ein Flugblatt drucken lassen. Diesmal ging es um die Einziehung von Navy-soldaten. Nun ja, jetzt, wo wir wieder Krieg haben...«
»Ach Gott«, seufzte Elizabeth leise und verzweifelt. Sie hatte John so sehr gebeten, wenigstens von diesem Thema seine Finger zu lassen, aber offenbar hatte er ihr Fernsein sofort genutzt, gegen ihren Willen zu handeln. Seit England Frankreich erneut den Krieg erklärt hatte, flammte die alte Sitte auf, arglose Bürger von der Straße weg gegen ihren Willen für die Navy zu verpflichten und auf der Stelle zum nächsten Schiff zu schleppen. England hatte kein stehendes Heer, weil dessen Unterhaltung zu teuer gewesen wäre, und wenn dann ein Krieg ausbrach, mußte blitzschnell eine Armee rekrutiert werden, wobei sich nie genügend Freiwillige meldeten. Das lag auch an den katastrophalen Bedingungen, unter denen die Soldaten lebten. Besonders auf den Schiffen wurde ausgebeutet und bestialisch gefoltert, so daß mancher, der den Krieg überlebte, an den Folgen dieser Behandlung starb. Die Zwangsverpflichtung konnte jeden Mann treffen, der nicht dem Adel angehörte oder der kein Geld besaß, sich durch Bestechung freizukaufen. Elizabeth kannte Johns Zorn darüber, doch sie hatte immer noch gehofft, ihn von einer ernsthaften Aktion abhalten zu können.
»Auf dem Flugblatt greift er die gesamte Adm ... Admiralität an«, erläuterte Billy, »und das kann böse Folgen haben!«
Sein zerknittertes, krankes Gesicht sah sorgenvoll drein. Elizabeth mußte sich mit einer Hand am Tisch festhalten. »Wenn er kommt, werde ich ihm das sagen«, sagte sie mühsam, »ich danke Ihnen, Billy, daß Sie zu mir gekommen sind.«
»Natürlich, John ist doch mein einziger Freund auf dieser verfluchten Welt. Wiedersehen, Miss Landale. Ich muß jetzt was trinken!« Er schlurfte hinaus, die Tür fiel hinter ihm zu. Elizabeth mußte sich setzen, so sehr zitterten ihr die Knie. Ach, wie rasch war ihr Glücksgefühl vom frühen Morgen verflogen, über den einsamen Tag hinweg von Stunde zu Stunde und nun vollends, seit Billy erschienen war. Verdammter, verdammter John! Er ließ ihr keine Ruhe, keinen Frieden, er dachte überhaupt niemals daran, sich nach ihren Wünschen zu richten! Er lebte, wie es ihm in den Sinn kam, als sei niemand vorhanden, dessen Schicksal sich mit dem seinen verband. Wie nur hatte er das jetzt wieder
tun können! Zwischen aufflammendem Arger und abgrundtiefer Müdigkeit schwankend, starrte Elizabeth auf die fleckige Tischplatte vor sich, stützte schließlich den Kopf in die Hände, wollte weinen und konnte es nicht. Seltsam zu denken, daß sie früher in Tränen ausgebrochen war, wenn man sie nur schief anblickte. Heute war sie viel stärker, das Leben härtete doch ab.
Dieser Gedanke half ihr, sich aufzuraffen. Es war wirklich nicht sinnvoll, hier zu sitzen, in Traurigkeit zu versinken und zu warten, bis das Schicksal zum entscheidenden Schlag ausholte. Ihr blieb keine Zeit, ihrer Erschöpfung nachzugeben. Sie mußten London sofort verlassen, sobald John zurückkam.
Glücklicherweise gab es nicht viel zu packen. Elizabeth besaß nur noch wenige Kleider, die sie tragen konnte, und John hatte noch nie viel gehabt. Es dauerte nicht lange, und Elizabeth hatte eine Tasche gepackt, die nun mit ihrer beider ganzem Besitz gefüllt war. Sie räumte noch ein wenig
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