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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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strichen herum, abgearbeitete Frauen saßen in den Hauseingängen, tratschten, keiften und lachten. Nur wenige beachteten Elizabeth, die meisten schauten sie gar nicht an. Sie lief über das Kopfsteinpflaster mit langsamen, schleppenden Schritten, taub und leer. John verhaftet — sie vermochte diese Wahrheit noch nicht zu begreifen. Er dieser Demütigung ausgesetzt, zwischen Soldaten als deren Gefangener durch die Straßen geführt! Ach, sie konnte sich die sensationslüsternen Blicke all dieser Klatschweiber richtig vorstellen! Und dann das Gefängnis, welch furchtbare Schauergeschichten hatte sie schon über die Londoner Gefängnisse gehört! Nur wer Geld besaß, hatte eine Chance zu überleben, denn er konnte die Aufseher bestechen und so besseres Essen und sauberes Trinkwasser bekommen.
Alle anderen versanken in Dreck, Krankheit und Brutalität.
    Elizabeth blieb stehen, um sich zu orientieren. Ja, dort mußte sie entlang, dieser Weg führte zu Patricks Wohnung. Wie gut, daß es ihn und Sally wenigstens gab. Sie brauchte jetzt unbedingt Menschen, die sie in die Arme nahmen und trösteten. Nur, helfen konnten sie ihr auch nicht. Sie hatten überhaupt kein Geld und noch weniger Einfluß.
    Ich habe niemanden, der mir helfen könnte, dachte sie trüb, sie sind alle genauso arm und unbedeutend wie ich.
    Wie fern war doch die Zeit, da sie Schutz und Sicherheit im Leben allein dadurch fand, daß sie Elizabeth Landale hieß, im Haus des Phillip Sheridy lebte und in hübschen Kleidern durch die Parks spazierte, hofiert von jungen Herren, höflich gegrüßt von jeder bedeutenden Persönlichkeit der Stadt. Heute winkten ihr nur noch die Gauner zu, und gierige alte Frauen ließen sich dafür bezahlen, daß sie ihr die Kinder wegmachten. Und sie konnte schreien und fluchen und betteln, kein Richter der Welt würde sich darum scheren und John auf ihr Drängen hin freigeben.
    Endlich stand sie vor Patricks Haus, lief die Treppe hinauf und klopfte an. Sie war im Frühling das letzte Mal hiergewesen. Sicher hatte sich Sally schon Sorgen gemacht, denn sie waren sonst recht regelmäßig zu Besuch gekommen.
    »Ja, Gott sei Dank, endlich!« sagte Sally, als sie öffnete. »Ich dachte schon, du seist verschollen!« Gleich darauf schlang Elizabeth beide Arme um sie und brach in heftiges Weinen aus. All ihr Kummer der letzten Stunde, aber auch die wochenlange Nervenanspannung brach jetzt aus ihr heraus, als sie Sallys warme, gütige Augen sah.
    »Aber beruhige dich doch«, sagte Sally sanft, »was ist denn nur geschehen?«
    »Ach Sally, es ist so schrecklich, wie du es dir gar nicht denken kannst«, schluchzte Elizabeth. »John wurde gerade verhaftet! Wegen seiner ewigen Flugblätter! Sie haben ihn zum Fleet Prison gebracht und wollen ihn vor ein Gericht stellen, aber das
Urteil steht doch schon fest, weil er ja sowieso auch noch Schulden hat und in schlechten Kreisen verkehrt! O Gott, Sally, was soll ich nur tun?«
    Sally blickte sie voller Bestürzung an.
    »Das ist freilich schlimm«, meinte sie, »aber nichts ist hoffnungslos. Jetzt setz dich erst mal hin und erzähle mir alles, was passiert ist.«
    Nachdem Elizabeth sich so weit gefaßt hatte, daß sie sprechen konnte, berichtete sie von allen Geschehnissen, von Billys Warnung, von ihrer Flucht, die in dem Gasthof südlich von London ein so jähes Ende gefunden hatte, von Johns Verletzung, dem fremden Soldaten, der ihnen die Freiheit schenkte, der mühevollen, quälenden Rückkehr nach London, den langen Wochen mit Samantha und schließlich von dem heimtückischen Verrat.
    »Du hast Schreckliches erlebt«, sagte Sally mitleidig, »wärt ihr nur zu uns gekommen!«
    »Wir hatten Angst wegen der Kinder...«
    »Sie hätten euch wohl weniger verraten als diese Samantha.«
    Sally seufzte. Sie wollte es nicht zu deutlich zeigen, aber insgeheim fürchtete sie, daß Johns Lage aussichtslos war. Er hatte sich in der Vergangenheit als unbequemer Kritiker erwiesen und konnte kaum Gnade erwarten. Der Richter würde ihn einfach in irgendeines der überfüllten Gefängnisse stecken, wissend, daß ihn dies erst seelisch zerbrechen und über kurz oder lang auch körperlich vernichten würde. John Carmody würde in Vergessenheit geraten und zu den Unzähligen gehören, die niemals existiert hatten. Es gab nirgendwo eine Persönlichkeit, die sich für ihn einsetzen würde.
    »Du mußt erst einmal zur Ruhe kommen«, sagte sie, »wir werden einen Weg finden.«

5
    Schon früh am nächsten Morgen

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