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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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werdendes Gesicht die Lage zu verschlechtern drohte.
    »Wer seid ihr?« fragte er den jungen Mann, der zu ihnen gekommen war. Dieser antwortete nicht, aber ein anderer mischte sich ein.
    »Wir kommen von London«, sagte er, »und wir wollen zurück nach Hause.«
    »Ach, und wir wollen gerade nach London«, meinte Cynthia unbefangen. Höhnisches Gelächter antwortete ihr.
    »Das glaube ich euch gern«, rief ein sehr alter Mann aus einer Ecke, »das ist ja so üblich. Den Sommer im Schloß, den Winter dann in London. Bälle und Oper und Theater und all das verfluchte Zeug, mit dem ihr euch euer verdammtes Leben so angenehm macht!« Er nahm einen großen Schluck Bier, während Harriet erbleichte. Sie hatte noch nie zwei Flüche in einem Satz gehört.
    »Ja, das London der Reichen«, mischte sich ein anderer ein, »Mylady, kennen Sie unser London?«
    »Wir legen keinen Wert darauf, es kennenzulernen«, entgegnete Phillip. Er wandte sich wieder an den Wirt.
    »Ich möchte jetzt unsere Zimmer sehen«, befahl er. Der Wirt kam endlich hinter seinem Tisch hervor. Doch der Mann, der dicht neben Phillip und Harriet stand, wollte das Gespräch noch nicht beenden.
    »Unser London«, sagte er, »das sind verschmutzte Gassen
und feuchte Keller, das sind zwanzig Menschen, die zusammen in einem einzigen verdreckten Zimmer leben. Das sind Seuchen, Hunger, Tod und Elend. Kinder, die sich wie Ratten vermehren und dann doch in irgendeiner naßkalten Ecke verrecken. Mein Gott«, er blickte in Harriets sanfte, blaue Augen, »haben Sie eigentlich jemals in Ihrem Leben gehungert?«
    »Nein«, antwortete Harriet zitternd.
    »Da hört ihr es! Diese schöne Frau kennt den Hunger überhaupt nicht. Die kennt überhaupt nichts außer Seidenkleidern und Wein und Salons mit großen, warmen Kaminen. Aber unser Leben, ich sage Ihnen, Mylady, das läßt sich überhaupt nur besoffen aushalten!«
    »Phillip«, sagte Harriet leise, »ich möchte sofort in unser Zimmer. «
    »Ja«, der fremde Mann lachte, bitter und hart, »nur fort von diesen dreckigen, schlampigen Menschen. Die Armut ist sehr häßlich, nicht wahr? Nichts für eine so schöne Frau!«
    »Hattet ihr keine Arbeit in London?« fragte John. Eine der Frauen, die in der Tür lehnten, trat vor. Sie war alt, ganz grauhaarig und zahnlos, aber sie besaß denselben wachen, haßerfüllten Blick wie der junge Mann.
    »Sir«, sagte sie. Ihre Stimme klang abstoßend heiser. »Sir, diese alle hier sind meine Familie. Mein Mann, meine Söhne, meine Brüder, meine Töchter und Schwiegertöchter. Wir hatten etwas Land, oben in Lincolnshire, wenig fruchtbar und kärglich, aber wenigstens gehörte es uns. Wir mußten es verkaufen, für einen Dreckspreis verschleudern, weil wir Schulden hatten. Dann gingen wir nach London, vor zwei Jahren, um in den Fabriken zu arbeiten. Es war die Hölle, sage ich Ihnen, eine einzige Hölle. Viele von uns sind gestorben, an einer Krankheit, am Hunger oder am Schnaps. Zwei Enkel von mir, kleine Kinder, sind in der Fabrik einfach umgefallen, verreckt unter den Augen der Aufseher. Die Leichen habe ich später unter einem Haufen Abfall hervorgewühlt. «
    »Bitte, hören Sie auf«, flüsterte Harriet.
    »Ha!« Die Frau lachte schrill. »Das mögen Sie nicht hören!
Wie scheußlich auch, was ich erzähle. Ja, und jetzt gehen wir zurück nach Lincolnshire, aber das Land gehört uns nicht mehr, und wir werden alle verhungern!«
    Phillip durchquerte mit entschlossenen Schritten den Raum, bis er die nächste Tür erreichte, hinter der eine Treppe nach oben führte.
    »Komm, Harriet«, sagte er, »wir müssen uns mit diesen Leuten nicht unterhalten. Und Sie, merken Sie sich bitte: Ich trage keine Verantwortung für euer Schicksal! Ich habe euch nicht befohlen, Schulden zu machen, euer Land zu verkaufen, nach London zu gehen. Vielleicht solltet ihr alle weniger trinken, das würde eine Menge Geld sparen!«
    Sie verließen den Raum, gefolgt von dem Wirt, der sich beeilte, den Gästen den Weg zu leuchten. Seine anfängliche Unhöflichkeit war neuem Eifer gewichen, nachdem sich in den vergangenen Minuten der Gedanke in seinem Kopf festgesetzt hatte, daß diese reichen Leute eine gute Einnahmequelle für ihn bedeuteten.
    Er stieg die schmale Treppe hinauf, denn es war ihm nun darum zu tun, daß die Fremden nicht länger in einen Streit verwickelt blieben.
    »Die haben ein bißchen zuviel getrunken«, meinte er vertraulich zu Phillip, »kann ja jedem von uns passieren.«
    »Mir passiert es

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