Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
sind sehr großzügig«, entgegnete sie.
»Ich verlange dafür viel von Ihnen. Sie werden sehr früh kommen müssen und erst spät wieder gehen dürfen. Denken Sie daran, daß Sie oft in tiefster Nacht den einsamen Weg nach Blackhill wandern werden!«
»Ich werde das durchhalten...« Elizabeth zögerte, denn sie hatte noch eine wichtige Bitte. Die Countess erriet, was sie sagen wollte.
»Für den kommenden Monat werde ich Ihnen heute schon zehn Pfund geben«, bot sie an, »den Rest nach vier Wochen. Und achten Sie darauf...« Sie brach ab.
»Worauf?« fragte Elizabeth.
»Ich möchte Sie nicht kränken. Aber achten Sie darauf, daß Lord Carmody das Geld nicht benutzt, um sich dafür Alkohol zu kaufen!«
Elizabeth drängte mühsam eine scharfe Antwort zurück, sie fühlte, daß die Countess es gut mit ihr meinte, und außerdem durfte sie sie nicht ärgern. So nickte sie nur. Die Countess ging zur Tür. »Ich werde Sie meinen Kindern vorstellen«, sagte sie, »kommen Sie bitte mit.«
Elizabeth lernte die vier Kinder der Familie draußen im Park kennen und konnte sie alle sofort gut leiden. Die beiden großen Söhne, Denis und Charles, waren sogar älter als sie selbst, sehr groß, schlank und goldblond wie ihre Mutter. Auch die jüngere Schwester der beiden, die siebzehnjährige Mary, gefiel ihr, denn sie erinnerte sie im Aussehen ein wenig an Joanna. Mary war bereits seit einem Jahr verlobt und wollte in einigen Wochen heiraten. Sie wirkte freundlich und schien gewillt, sich mit Elizabeth gut zu verstehen.
Stephen, Elizabeths künftiger Schützling, erwies sich als reizendes Kind, zutraulich und ohne Scheu. Kaum hatte er erfahren, wer Elizabeth war, da plauderte er auch schon eifrig drauflos, schmiedete Pläne, was sie alles unternehmen könnten und wie schön sie den ganzen Winter über spielen würden.
»Stephen, Miss Landale ist nicht hier, um mit dir zu spielen«, sagte seine Mutter, »sondern um dich zu unterrichten!«
»Aber nicht den ganzen Tag! Ich muß mich auch ausruhen!«
»Wenn du dich ausruhst, beginnt das ganze Haus zu wackeln«, sagte Mary, und alle stimmten ihr lachend bei. Elizabeth, die sie beobachtete, merkte, wie ein Gefühl wehmütiger Erinnerung sie überkam. Dieses Leben hatte sie einmal gekannt, so war ihre Kindheit gewesen, in einem alten Schloß, in der Geborgenheit einer zufriedenen Familie. Das alles hatte sie hingegeben. Wenn sie Andrew Courtenay geheiratet hätte oder einen anderen Mann, der sein Leben klar und sicher zu führen gedachte... Damals, im Besitz aller irdischen Güter, war es leicht gewesen, all diese Dinge mit Hochmut zu betrachten und mit leichter Hand fortzugeben. Heute mußte sie erkennen, daß sie ihren Sinn und ihr Gutes gehabt hatten. Jetzt mußte sie erleben, wie sehr Armut und Unsicherheit selbst eine Liebe, die jenseits aller irdischen Besitztümer stand, auf eine harte Probe stellen konnten. Sie fand es auf einmal sehr hart, mit welcher Offenheit das Schicksal ihr die Erkenntnis gab, daß Hunger und Kälte und tausend tägliche Nöte langsam und schleichend immer stärker in den Vordergrund treten konnten.
So leben wie die Countess, dachte sie, und Kinder haben! Hätte ich nur ein Kind wie Stephen!
Sie erhielt die versprochenen zehn Pfund und verabschiedete sich bis zum nächsten Tag. Beschwingt trat sie den Heimweg an. Auf soviel Glück hätte sie nicht zu hoffen gewagt, John würde staunen und sich freuen. In Taunton auf dem Marktplatz kaufte sie Gemüse, Brot und Eier und freute sich über das Getuschel der Leute, die alle rätselten, wer die fremde Frau wohl sei. Da sie unterwegs noch Pilze pflückte, wurde es Mittag, bis sie wieder Blackhill erreichte. Sie freute sich darauf, ein gutes Essen zu kochen und damit anzufangen, das Haus in Ordnung zu bringen. Hoffentlich hatte John schon etwas Holz gehackt und den Ofen in der Küche vom jahrelangen Staub und Dreck gereinigt.
Als sie jedoch das Haus betrat, mußte sie feststellen, daß John noch nicht einmal aufgestanden war. Er lag noch in derselben Haltung im Bett wie am frühen Morgen und hatte sich in der ganzen Zeit vermutlich überhaupt nicht bewegt. Elizabeth bezwang
ihren ersten Impuls, der sie beinahe irgendeinen harten Gegenstand laut krachend gegen die Wand hätte schmettern lassen. Wahrscheinlich wäre er aber nicht einmal davon aufgewacht, er schlief ja wie ein Stein.
Elizabeth schlich leise wieder nach unten und machte sich allein an die Arbeit. Es dauerte Stunden, bis sie den Herd
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