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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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entdeckte sie einen ganzen Stapel alter Kleider, unmodisch zwar und von Motten angefressen, aber noch tragbar. Elizabeth, die wieder
einmal seit Wochen in demselben schmutzigen Gewand herumlief, schlüpfte sofort in ein Kleid aus grünem Samt und betrachtete sich in einem halbblinden Spiegel. Sie lief eilig die Treppe hinunter in den Salon, wo John saß.
    »Sich mal, was ich gefunden habe!« rief sie. »Wie gefällt dir das?«
    »Schön«, meinte John, »ich glaube, es gehörte...« Er brach ab, und Elizabeth lachte.
    »Es gehörte einer deiner zahlreichen Bekanntschaften«, vollendete sie. »Laura?«
    »Nein, Laura nicht.«
    »Es ist mir gleich. Jetzt lebe ich hier. John, es wird alles ganz wundervoll werden. Wir bringen das Haus in Ordnung und suchen uns Arbeit. Vielleicht können wir auch Kühe kaufen und Hühner...«
    »An welche Arbeit denkst du?«
    »Nun... auf einem Hof in der Nähe vielleicht.«
    »Elizabeth Landale als Stallmagd?«
    »Nicht, daß ich davon immer geträumt hätte«, gab sie zu, »vielleicht könnte ich auch bei einer Adelsfamilie als Erzieherin für die Kinder angestellt werden!«
    »Kaum«, meinte John, »als Frau, die mit einem verarmten Trinker zusammenlebt, der im Gefängnis war!«
    »Du bist kein Trinker, John, und vom Gefängnis weiß niemand. Und im übrigen, was unser Zusammenleben angeht, vielleicht sollten wir...«
    »Was? Heiraten? Ach, Elizabeth...«
    Sie gab sofort nach und wechselte das Thema.
    »Es wird sich ein Weg finden«, meinte sie fröhlich, »jetzt machen wir erst einmal Feuer. Irgendwo habe ich Holz gesehen!«
    Bald schon brannte ein Feuer im Kamin, sie kauerten sich davor und genossen die gleichmäßige Wärme, die sich um sie herum ausbreitete. John, der müder war, als er hatte zugeben wollen, schlief schließlich ein. Im Schlaf hustete er hin und wieder und atmete schwer. Elizabeth betrachtete sein krankes, abgekämpftes Gesicht. Er war schwer krank seit dem Gefängnis, das
mußte sie sich immer wieder klarmachen, auch wenn er es abstritt. Er durfte keine Lungenentzündung bekommen und mußte sich unbedingt schonen.
    Ich muß allein für uns sorgen, dachte sie. Wenn wir diesen Winter überstehen wollen, brauche ich so schnell wie möglich Arbeit. Ich werde eine finden, und wenn ich tatsächlich als Stallmagd arbeiten muß!
     
     
    Sie machte sich gleich am nächsten Morgen auf den Weg, in aller Frühe schon, als John noch schlief. Sie trug das grüne Samtkleid, das sie noch in der Nacht sorgfältig gebürstet und geflickt hatte. Darüber, damit nicht jeder gleich den unmodernen Schnitt erkennen konnte, einen schwarzen dünnen Mantel, dessen Kapuze sie über ihre etwas zerzausten Haare zog. Sie sah keineswegs reich aus, jedoch auch nicht so arm, wie sie tatsächlich war. Wenn niemand das laute Knurren ihres Magens hörte oder ihre völlig zerrissenen Schuhe unter dem Kleid erspähte, konnte sie halbwegs für eine ehrbare Bürgersfrau gehalten werden.
    Es gab in der Umgebung von Taunton mehrere vornehme Herrensitze, alte Schlösser in weitläufigen Parks, in denen reiche Adelige lebten. Elizabeth hatte einige dieser Güter bereits auf ihrer allerersten Reise nach Blackhill von fern gesehen und konnte sich ungefähr erinnern, wo sie standen. Es war ein weiter Weg, aber wenigstens wehte ein sanfter, kühler Wind, und die Sonne schien. Unter Elizabeths Füßen raschelte welkes Laub, hin und wieder erspähte sie Pilze und beschloß, sie auf dem Heimweg zu pflücken. Sie wären die erste Mahlzeit seit Tagen.
    Nachdem sie sich einige Male verlaufen hatte, erreichte sie endlich ein hochherrschaftliches Anwesen, östlich von Taunton gelegen. Schon an der Haustür wurde sie von einem hochnäsigen Diener mit barschen Worten zurückgewiesen. Sie konnte kaum ihre Frage, ob es hier Arbeit gebe, stellen, da fuhr er sie schon an, sie solle sich davonscheren und sich nie wieder blicken lassen. Elizabeth schnitt ihm eine beleidigende Grimasse, drehte sich um und ging. Innerlich sank ihr Mut. Noch konnte sie einfach etwas Unverschämtes murmeln und den anderen stehenlassen,
bald aber würde ihre Lage so verzweifelt sein, daß sie bitten und betteln mußte.
    Doch schon beim nächsten Schloß hatte sie mehr Glück. Das Haus erinnerte sie etwas an Heron Hall, und das gab ihr gleich ein bißchen Selbstvertrauen zurück. Sie lief unter gewaltigen Nußbäumen entlang dem Portal zu, reckte den Kopf und pochte kräftig an. Wer auch öffnete, sie mußte schnell und überzeugend

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