Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
Elizabeth in ihr Zimmer und legte ihr einen ganzen Stapel Kleider in die Arme.
»Ich schenke sie Ihnen«, sagte sie glücklich, »bitte lehnen Sie nicht ab. Ich kann sie ohnehin nicht mitnehmen!«
Elizabeth fühlte sich keineswegs beleidigt. Sie und Mary hatten sich in den vergangenen Wochen eng befreundet. Mary betete Elizabeth geradezu an, weil diese so viel erlebt und erfahren hatte, und Elizabeth, der lange schon niemand mehr Bewunderung gezollt hatte, genoß das. Sie kam mit allen im Haus gut zurecht, auch mit dem Earl Wentlaine, der sich so vornehm gab wie Onkel Phillip. Sie fand es schön, daß sie ganz selbstverständlich
an der heutigen Hochzeitsfeier teilnehmen durfte und daß ihr die Countess dafür sogar ein altes Kleid von sich geschenkt hatte. Natürlich mußte sie auch während dieses Tages Stephen beaufsichtigen, aber dem war es bei all der Politik auf dem Fest zu langweilig geworden, weswegen er sich die Erlaubnis erbettelt hatte, zusammen mit Denis auszureiten und erst zum Dinner am Abend wiederzukommen. Elizabeth, die sich, nachdem Mary bereits wieder nach unten gegangen war, noch ein wenig ausruhte, blickte hinaus in den kahlen, herbstlichen Park, über den sich bereits neblige Dunkelheit breitete. In der Ferne trabten Stephen und Denis auf ihren Pferden davon, zum Wald hinüber, in dessen dichtester Finsternis Blackhill lag. Sie lächelte, als sie den kleinen Jungen beobachtete, und überlegte, wie gern sie ihn schon hatte, fast ein bißchen wie ein eigenes Kind. Sie fand es beruhigend, ein Kind zu lieben, denn ein kleines Kind, das wirklich geliebt wurde, konnte nicht enttäuschen, wie erwachsene Menschen das ständig taten. Unwillkürlich dachte sie an John. Nachts um zwölf wollte er draußen vor dem Tor sein, um sie abzuholen. Seit zwei Wochen tat er das, er brachte sie morgens her und erschien in der Nacht, damit er sie heimbegleiten konnte. Elizabeth hatte das nicht erwartet, und es rührte sie. Auch jetzt schon wieder glitt ein Gefühl tiefer Zärtlichkeit über sie hinweg. Schwungvoll drehte sie sich um, lief zur Tür und trat hinaus in den menschenleeren, langen Gang. Von unten drang lautes Stimmengewirr hinauf. Sie eilte zur Treppe, um hinunterzulaufen und sich wieder unter die anderen Menschen zu mischen, da zuckte sie erschrocken zurück und blieb wie erstarrt stehen. Ein Mann kam die Treppe herauf, und trotz des nur schwach flackernden Lichtes einiger Kerzen erkannte sie sofort, wer es war: Andrew Courtenay, ihr Jugendfreund aus London, den sie seit sechs Jahren nicht mehr gesehen hatte.
Er erkannte sie im gleichen Moment wie sie ihn, blieb ebenfalls überrascht stehen und sagte schließlich: »Gott im Himmel, es kann doch nicht möglich sein! Elizabeth Landale!«
»Andrew! Ich hätte Sie wirklich überall erwartet, aber nicht hier!«
»Aber Elizabeth, ich habe immer in Devon gelebt. Ich finde es wesentlich verwunderlicher, Sie hier zu treffen.« Er lachte und kam endlich die restlichen Stufen zu ihr hinauf. Als er dicht vor ihr stand, bemerkte sie, wie wenig er sich verändert hatte. Er war noch immer so gelassen und selbstsicher wie früher, hatte die gleiche Art, in jedes Lächeln eine verwirrende Zärtlichkeit zu legen, und er sah hinreißend aus. Er küßte Elizabeths Hand, dann trat er einen Schritt zurück und betrachtete sie eindringlich.
»Meine Elizabeth«, sagte er sanft, »wenn ich Sie heute ansehe, dann tut es mir fast noch mehr leid als damals, daß Sie mich einst verschmähten!«
»Wenn ich Sie ansehe, Andrew«, erwiderte Elizabeth lächelnd, »könnte mir das fast auch leid tun!« Ihre Augen funkelten und verrieten ihren Spaß an der Situation. Sie hatte so endlos lange nicht mehr einfach sorglos und heiter mit einem Menschen geplaudert. Merkwürdigerweise schien gerade ihre Lebhaftigkeit Andrew ernst werden zu lassen.
»Elizabeth«, sagte er eindringlich, »was tun Sie hier? Ich dachte, Sie seien noch in London, mit diesem John Carmody oder wie er hieß!«
»Ich bin mit ihm hier. Die Carmodys besitzen ein Gut in der Gegend. Dort leben wir.«
»John und Sie?«
»Ja.«
»Ich hätte damals dieser Beziehung kein halbes Jahr gegeben. Aber da habe ich mich offenbar getäuscht. Sagen Sie...«, er zögerte einen Moment, »weiß die Countess von John Carmody?«
»Ja, sie weiß das.«
»Und lädt Sie trotzdem ein?«
»Ich bin hier eigentlich nicht eingeladen«, bekannte Elizabeth leise, »ich arbeite hier.«
Andrew runzelte die Stirn.
»Das kann doch nicht
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