Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
roch und wie tiefbraun seine Augen glänzten. Sein Gesicht kam ihr mit einemmal so vertraut vor, als sei es keinen Tag her, daß sie sich zuletzt gesehen hatten. Sie bemerkte, daß die Situation gefährlich zu werden begann, und wich etwas zurück.
»Bitte...«, sagte sie leise, aber Andrew war schon ganz dicht vor ihr, schlang beide Arme um sie und küßte ihren Mund. Zu ihrem Schrecken verspürte Elizabeth plötzlich gar nicht mehr den Wunsch, Widerstand zu leisten. Sie fiel diesem Mann geradezu entgegen, aber sie fühlte dabei, daß nicht nur er selbst es war, an den sie sich klammerte. Vielmehr kam es ihr vor wie ein Abgleiten in eine lang vergessene, vergangene und vertraute Geborgenheit, als tue eine alte, einst verschmähte Welt sich auf, sie wieder in sich einzuschließen. Es war ihr, als sei sie zu Tode ermüdet und habe plötzlich einen Ort gefunden, an dem sie ausruhen konnte. Und ausgerechnet an den breiten Schultern eines Mannes, dachte sie resigniert, ich glaubte immer, etwas so Dummes könnte nur Mädchen wie Belinda geschehen!
»Ich bin morgen wieder hier«, flüsterte Andrew, »und ich bin sicher, daß Sie das auch möchten, Elizabeth.«
Sie glaubte es nicht. Alles war zu schnell gegangen, es konnte für sie beide nicht mehr sein als der Reiz eines einzigen Augenblicks. Aber wie gut, daß es nicht mehr war, denn draußen in der kalten Novembernacht stand vielleicht schon John und wartete auf sie, frierend und naß. Die Erinnerung an ihn ließ sie ein Stück von Andrew abrücken, und dies keine Minute zu früh, denn gerade da tauchte die Countess neben ihnen auf.
»Ach, hier sind Sie, Miss Landale«, sagte sie ungehalten, »ich habe Sie bereits überall gesucht. Stephen ist zurückgekehrt und muß nun zu Bett gebracht werden. Ich dachte, Sie würden Ihre Pflichten kennen?«
»Es... tut mir leid«, stotterte Elizabeth, »ich werde mich selbstverständlich sofort um ihn kümmern.«
Die Countess sah zu Andrew hin, der vor ihr stand und sie charmant anlächelte. Ihre Miene wurde freundlicher.
»Ah«, machte sie anzüglich, »unter diesen Umständen ist Ihr Versäumnis natürlich verzeihlich, Miss Landale.« Sie sah von einem zum anderen, und verwundert erkannte Elizabeth, daß die Countess wohl gar nichts gegen eine Verbindung zwischen ihr und dem Sohn des Earl Locksley einzuwenden hatte. Aus irgendeinem Grund hielt sie sehr viel von Elizabeth, und nun, da Mary gut verheiratet war, konnte sie auch für die Erzieherin ihres Sohnes etwas Passendes suchen. Sie fand, daß eine schöne, junge, gebildete Amerikanerin von einer reichen Plantage, aus britischem Adel stammend, aufgewachsen im Haus des Lord Sheridy, einfach nicht an John Carmody hängenbleiben durfte, wenn es die überaus zielstrebige Countess Wentlaine verhindern konnte. »Sehen Sie nicht so schuldbewußt drein«, sagte sie versöhnlich. »Sie sind jung und wollen sich amüsieren! Das ist ganz verständlich. Aber nun kümmern Sie sich um Stephen.«
Elizabeth schlich davon, die Treppe hinauf in Stephens Zimmer, wo der Junge bereits mit glühenden Wangen darauf brannte, seine Erlebnisse vom Ausritt zu berichten. Sie hörte ihm ein wenig zerstreut zu.
»Sehen Sie nicht so schuldbewußt drein...« O Gott, das tat sie doch nicht, nur weil sie einmal ihre Pflichten vernachlässigt hatte. Ob Stephen ein paar Minuten früher oder später ins Bett kam, war doch wirklich ganz gleichgültig. Viel schlimmer war, daß sie sich von Andrew hatte küssen lassen! Er hatte so schön und gepflegt vor ihr gestanden, in der Wärme dieses feinen Hauses, umgeben von Lichterglanz und Musik, und sie ließ sich davon beeindrucken, als sei sie bestenfalls vierzehn Jahre alt statt zweiundzwanzig. Draußen wurde es immer nebliger, es regnete jetzt dazu, und ihr Herz krampfte sich zusammen vor Schreck über ihren Verrat. Es kam ihr vor, als habe sie John eine besondere Demütigung deshalb angetan, weil sie ihn in Kälte und Nässe stehen und frieren ließ, vor dem Parktor, ein völlig Ausgeschlossener und Ausgestoßener, dem es untersagt war, auch nur mit einem Schritt in das Leben der reichen Gesellschaft vorzudringen. Sie selbst aber hatte nichts Besseres zu tun, als mit diesen Leuten gemeinsame Sache zu machen.
»Ich verstehe gar nicht, wie das passieren konnte«, murmelte sie. Stephen sah sie fragend an.
»Was ist los, Miss Landale?«
»Nichts. Schlaf jetzt, Stephen.« Sie deckte ihn zu, blies die Kerze aus, wartete ein paar Minuten und verließ dann das
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