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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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ihrer Vorstellung. Vielleicht konnten Edward und sie nicht anders zusammenleben, vielleicht sollten sie nichts anderes sein als zwei Menschen, die gleich dachten und gleich fühlten und sich aufeinander verlassen konnten, einander dabei aber nicht leidenschaftlich zugetan waren. Sie stimmten in so vielem überein, nur in der Liebe ganz gewiß nicht.

4
    Am 8. Januar des Jahres 1806 wurde Admiral Nelson unter der mächtigen Kuppel von St. Paul’s Cathedral beigesetzt. Man hatte seinen toten Körper in einem großen Faß Branntwein von Trafalgar nach London gebracht und damit die Verwesung verhindert.
    Der Mann, der weit über sein Jahrhundert hinaus zum größten Nationalhelden seines Landes geworden war, kehrte tot zurück, aber als Lebender bei einem Triumphzug hätte er nicht größere Menschenmassen an die Straßenränder ziehen können, als dies seine sterblichen Überreste in einem blumengeschmückten Eichensarg vermochten. Vier Träger trugen ihn durch die Straßen Londons, daneben gingen junge Offiziere, die britische Fahnen über ihn hielten. Dahinter schloß sich der endlose Trauerzug an, geführt vom Prince of Wales, nach ihm Vertreter aus nahezu jeder Adelsfamilie des Landes, vom höchsten Adel bis zum niedersten hinab. Ihr Weg durch London wurde rechts und links gesäumt von unüberschaubaren Menschenmengen, als sei die ganze Stadt auf den Beinen und als sei auch aus den umliegenden Dörfern jeder gekommen, der sich nur bewegen konnte. Bürger, Bauern und Bettler standen im Gedränge, vereint in ihrem Kummer um den Toten, und jeder zog seinen Hut, wenn der Sarg an ihm vorübergetragen wurde. Nachdem am Tag zuvor ein furchtbarer Hagelsturm getobt hatte, wölbte sich heute ein blaßblauer, klarer Winterhimmel über der Stadt, von dem eine mattgelbe Sonne schien. Die Fahnen hingen auf halbmast, und die Glocken von St. Paul’s läuteten.
    Joanna und Elizabeth gingen im Zug des Adels mit, an der Seite ihrer Männer, aber direkt hintereinander. Edward Gallimore hatte ein graues, versteinertes Gesicht, so daß Joanna, die ihn ein paarmal besorgt gemustert hatte, schließlich in einer Geste des Mitleids seine Hand berührte.
    »Trauerst du so sehr um den Admiral?« fragte sie leise.

    »Um alle, die gefallen sind«, entgegnete Edward heftig, »ich werde diese Schlacht ein Leben lang nicht vergessen und verwinden können!«
    Hinter ihnen warfen sich Andrew und Elizabeth verständnisinnige Blicke zu. Vor einigen Tagen bei einem Dinner hatte ihnen Joanna von ihren Sorgen um Edward erzählt, von der tiefen Schwermut, die ihn seit Trafalgar umfangen hielt. Er war kaum noch dazu zu bewegen, sein Haus zu verlassen, und saß stundenlang grübelnd in einer Ecke. Aber er war nicht der einzige, für den dieser Tag britischen Triumphes eine Wende in seinem Leben bedeutet hatte.
    Ein Stück vor ihnen ging Belinda, gestützt von Lord und Lady Fitheridge. Sie trug einen schwarzen Schleier vor dem Gesicht, damit niemand ihre verweinten Augen sehen konnte. Es war ein neuer Schlag für sie, daß Arthurs Leiche nicht nach England hatte überführt werden können, aber sie war unauffindbar gewesen. Nun wühlte der Anblick des Sarges und der vielen schwarzgekleideten Menschen ihre Gefühle neu auf. Sie schluchzte und zitterte, sicher sich ihrer Wirkung bewußt, aber zweifellos auch in echter Trauer. Es mischten sich in ihr die Angst vor einem trostlosen Witwendasein und das Entsetzen über die so gänzlich unerwartete Grausamkeit des Schicksals mit wahrem Kummer um Arthur. Wie viele oberflächliche Menschen erkannte Belinda Werte erst dann, wenn man sie ihr entzogen hatte, und so begriff sie nun, was Arthur ihr gewesen war.
    Nachdem die feierliche Beisetzung vorüber war, begann sich die Menge zu zerstreuen. Als Joanna, Elizabeth, Andrew und Edward aus St. Paul’s hinaustraten, sah Joanna plötzlich eine Frau am Fuße der steinernen Stufen, die Elizabeth energisch zuwinkte. Sie sah sehr arm aus, schlampig angezogen und mager. Elizabeth erstarrte im gleichen Moment, da Andrew ein wenig zu heftig fragte:
    »Wer ist diese Frau dort?«
    »Das ist Sally Stewart. Ich... erzählte dir von ihr. Bitte entschuldigt mich einen Moment.« Sie lief eilig die Treppe hinab zu Sally, die aufgeregt auf sie einzureden begann.

    »Mein Gott, ich kann sie nicht verstehen«, sagte Andrew, »ich habe sie so gebeten...«
    »Soviel ich weiß, hat Sally immer viel für sie getan«, meinte Joanna etwas schwach.
    »Zum Teufel, das ist überhaupt kein Grund!

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