Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
hattest du in diesem Punkt immer recht. Ich hänge tausendmal mehr an dir als du an mir, und so konntest du immer in aller Ruhe abwarten, daß ich wieder angekrochen käme, und du konntest völlig sicher sein, daß ich es tun würde, ganz gleich, wie du dich benommen hattest. Du hast dich abscheulich benommen, John, damals nachts in Blackhill. Ich habe es dir nie verziehen!« Sie sah auf, und Johns Gesicht war plötzlich ganz dicht vor ihrem. Sie gewahrte ein Glitzern in seinen Augen, das so jung und leidenschaftlich war wie an dem Tag, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Sie dachte, er wolle sie küssen, aber er hielt nur ihre Hände fest und legte seinen Kopf an ihre Schulter. Elizabeth küßte sanft seine dunklen Haare.
»Du darfst nie wieder fortgehen«, flüsterte er, »versprich es mir, Elizabeth, geh nie wieder fort!«
»Solange ich lebe, nicht.«
»Ich weiß, ich habe es nicht verdient. Du mußt dich immer von mir im Stich gelassen gefühlt haben. Von dem Tag an, als du nach Blackhill gelaufen kamst, auf der Flucht vor dieser gräßlichen
Lehrerin. Du hast mich so vertrauensvoll angesehen, und ich hatte nichts Besseres zu tun, als dich zu ihr zurückzuschicken! «
Elizabeth strich sanft über sein Haar. Die Kerze warf ein leichtes Licht auf ihr Gesicht.
»Du dachtest, ich würde eine Last für dich sein«, seufzte sie, »diese Angst hattest du immer. Du glaubtest dich für mich verantwortlich, dabei bin ich es doch genauso für dich.«
»Ja, in der Tat. Wenn ich etwas in diesen zwei Jahren gemerkt habe, dann das.«
»Und wenn du wirklich einmal eine Verantwortung hattest«, sagte Elizabeth lächelnd, »dann bist du ihr gerecht geworden. Denke zum Beispiel nur an dieses unheimliche Wirtshaus irgendwo in der Einsamkeit zwischen King’s Lynn und London. Vor siebzehn Jahren. Du hast den Mann getötet, der uns angreifen wollte.«
John hob den Kopf.
»Man kann wohl sagen«, meinte er, »daß du dich heute nacht gründlich revanchiert hast.«
»Ja«, erwiderte Elizabeth langsam, »da siehst du, daß wir einander nichts schuldig bleiben.«
Ein Pochen an der Tür schreckte sie auf. Die Bäuerin rief ihnen zu, sie sollten herüberkommen. Elizabeth zog ein wollenes Kleid an, das die Bäuerin ihr zurechtgelegt hatte. Zu dem bäuerlichen, verwaschenen Stoff nahmen sich die Ringe an ihren Fingern und die Rubine um ihren Hals sehr seltsam aus. Einen der Ringe schenkte Elizabeth der Bäuerin zum Dank für ihre Hilfe, aber später, als sie und John wieder in der kleinen Kammer auf Strohsäcken lagen und vergeblich versuchten, dieser Nacht noch eine Stunde Schlaf abzugewinnen, sagte John, sie solle nicht jedesmal so großzügig sein.
»Wir werden deinen Schmuck noch dringend brauchen«, meinte er, »denn du siehst wohl ein, daß wir England verlassen müssen. Sie suchen uns wegen Raub und Mord, und ich habe keine Lust, mein Leben an einem Galgen vor diesem dreckigen Fleet Prison zu beenden!«
Elizabeth starrte in das modrige Gebälk der Decke über sich, dessen Umrisse sie im allerersten bleichen Licht des neuen Januartages schwach erkennen konnte. Trotz der bleiernen Schwere in ihren Gliedern fühlte sie sich außerstande, auch nur ein Auge zuzutun.
»Wohin wollen wir?« fragte sie.
»Nach Ligny. In das Schloß meiner Vorfahren. Und dort verprassen wir das Erbe meiner Mutter!«
»Der Kontinent ist jetzt aber nicht ganz ungefährlich. Napoleon wird ...«
»Liebste, nicht einmal Napoleon ist für uns im Augenblick so gefährlich wie England. Glaub mir, sie werden uns wirklich aufhängen, wenn sie uns finden!«
»Gut«, sagte Elizabeth gleichmütig, »dann gehen wir nach Ligny. «
Die nächsten Tage verbrachten sie jedoch damit, sich in den Dörfern um London herumzudrücken. Sie fanden Unterschlupf in warmen Kuhställen oder auch bei einer Bauernfamilie, aber sie achteten darauf, nie länger als einen Tag am selben Ort zu bleiben. John wurde steckbrieflich gesucht, und nachdem sie seine genaue Beschreibung an den Bäumen vor der Stadt gelesen hatten, verzichteten sie ganz darauf, sich noch in menschliche Behausungen zu begeben. Elizabeth wurde auf diesen Briefen nie erwähnt. Es wunderte sie, denn sie wußte nicht, daß Joanna sie gedeckt und Andrew viel Geld gezahlt hatte, daß ihr Name offiziell in dieser Affäre nicht erwähnt wurde.
Sie mußte nun bei den Bauern um Lebensmittel betteln oder sie auch bezahlen, je nach Großzügigkeit ihres Gegenübers. Allein hätte sie diese Tage nie überlebt,
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