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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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vom Leben und hat sich anderswo Freunde gesucht. Eines Tages war sie dann verschwunden.« Sie schwieg. Ihr Blick stand voller Sehnsucht, als sie fortfuhr: »Vielleicht hatte sie verdammt recht!«
    »Rede keinen Unsinn, Samantha!« fuhr Alice sie an. »Wohin ihr Weg sie geführt hat, siehst du! Direkt an den Galgen!«
    »Traurig, traurig«, murmelte Samuel, »war ein teuflisch schönes Mädchen, diese Ellen. Und großzügig mit sich! Die war sich für keinen Kerl zu schade, die hat gegeben, was sie hatte!«
    »Samuel, es reicht!« fauchte Alice. »Diese Reden kannst du im Wirtshaus unter deinen liederlichen Kumpanen führen, aber nicht hier! Ich will über Ellen Lewis kein Wort mehr hören!«
    Samuel stand auf und schlich mit tückischem Blick auf die beiden Kinder zu.
    »Wißt ihr, wie es ist, wenn sie einen aufhängen?« flüsterte er rauh. »Erst kommt der Strick um den Hals, dann ziehen sie den Boden unter den Füßen weg und... ha!« Er umklammerte mit beiden Händen seinen Hals, streckte die Zunge heraus und rollte mit den Augen. Eve schrie kreischend auf.
    »Er soll aufhören«, jammerte sie, »hu, ich habe Angst!« Sie lief aus der Küche.
    »Wie kannst du es wagen!« drohte Alice.
    »Samuel, du bist ein Scheusal«, sagte auch Samantha, aber ihre dunklen Augen glühten.
    »Meine armen Kinderchen«, sagte Alice, »hat Samuel euch so erschreckt!«
    Aber die Kinder zeigten erstaunlich wenig Schrecken.
    »Ich möchte es auch einmal sehen«, sagte Joanna, »oh, schrecklich gern würde ich es sehen!«
    »Ich auch«, stimmte Elizabeth sofort zu. Alice schlug die Hände über dem Kopf zusammen.
    »Da siehst du, was du angerichtet hast! Nichts als dumme Ideen setzt du den Kindern in die Köpfe. Warte nur, wenn sie das Lady Harriet oder Seiner Lordschaft erzählen!«
    Dieser Gedanke schien Samuel inzwischen auch gekommen zu sein, denn sein Gesicht verriet deutlich Unbehagen.
    »Ihr redet doch nicht darüber?« wandte er sich eindringlich an die kleinen Mädchen.
    »Dumme Lage, nicht wahr, Samuel«, meinte Samantha spöttisch. Er warf ihr einen wütenden Blick zu.
    »Ihr behaltet doch alles für euch?« wiederholte er. Elizabeth nickte.
    »Aber wir möchten gern dorthin gehen«, bat sie.
    »Das kommt nicht in Frage«, sagte Alice streng, »und jetzt kein Wort mehr davon, sonst werde ich sehr böse.«

    Alle schwiegen. Samantha schmollte. Joanna und Elizabeth blieben nur noch kurz, dann zogen sie sich auf den Dachboden zurück, um über das Ereignis zu sprechen.
    »Ich würde es zu gerne sehen«, sagte Joanna, »aber wir dürfen ja nichts!«
    Die beiden sprachen noch eine Weile, aber es fiel ihnen kein brauchbarer Plan ein. Abends, als sie schon in ihren Betten lagen, hörten sie auf einmal leise Schritte und ein sanftes Pochen an der Tür. Es war Samantha, die hereingeschlichen kam.
    »Ich darf hier nicht gesehen werden«, flüsterte sie, »ich wollte euch nur einen Vorschlag machen.«
    Die Kinder richteten sich auf und sahen sie gespannt an.
    »Ihr wolltet doch sehen, wie Ellen Lewis gehängt wird? Nun, ich werde morgen hingehen. Und wenn ihr möchtet, nehme ich euch mit!«
    »Oh«, machte Elizabeth, die sich als erste von ihrer Überraschung erholt hatte, »das ist aber nett von dir!«
    »Aber was sagen wir meinen Eltern?« fragte Joanna.
    »Morgen merken sie nichts«, erwiderte Samantha, »denn morgen gehen sie mit Miss Cynthia in die Oper!«
    »Aber erst abends.«
    »Ellen wird abends hingerichtet.«
    Die Augen der Kinder leuchteten. Ein Grauen flutete durch ihre Körper, nun, da die Sache ernst zu werden versprach. Aber mit diesem Grauen wuchs die unheimliche Macht der Sensation, die sie unwiderstehlich anzog. Samanthas Gesicht leuchtete weiß im Mondlicht, ihre Augen blickten starr. Ach, sie mußten mit ihr gehen!
    Tatsächlich fand am nächsten Tag die von Cynthia schon so lange ersehnte Oper statt. Früh am Morgen kam die Schneiderin, um das fertige Kleid für die junge Miss zu bringen. Es war ein Kleid, wie auch erwachsene Damen es trugen, schmal geschnitten, mit enger Taille und vielen Spitzen an Ausschnitt und Ärmeln. Cynthia machte schrecklich viel Aufhebens darum und stolzierte stundenlang über alle Gänge und die Treppen hinauf und hinunter. Sie ärgerte sich, daß Joanna und Elizabeth so wenig
Neid zeigten, ohne im entferntesten an die wahre Erklärung dafür zu denken: Beide betrachteten die Ältere eher etwas mitleidig, weil sie etwas viel Aufregenderes am Abend vorhatten, wobei es den Reiz erheblich

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