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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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erhöhte, daß sie es heimlich tun würden.
    Um fünf Uhr brachen die Sheridys endlich auf. Joanna und Elizabeth winkten der Kutsche nach, bis sie um die nächste Straßenecke verschwunden war, dann stürzten sie die Treppe hinauf in ihr Zimmer, um die Mäntel anzuziehen.
    »Jetzt bloß nicht von Agatha erwischt werden«, stöhnte Joanna. »Wo ist sie eigentlich?«
    »Vorhin saß sie in ihrem Zimmer am Kamin und schlief«, antwortete Elizabeth, »und hoffentlich tut sie das immer noch.«
    Agatha hatte die dankenswerte Angewohnheit, am späten Nachmittag fast immer von schwerer Müdigkeit überwältigt zu werden und dann bis in den Abend hinein tief zu schlafen.
    »Bist du fertig?« erkundigte sich Joanna heiser. Elizabeth zitterte.
    »Ja«, flüsterte sie.
    »Dann komm.«
    An der Haustür trafen sie Samantha, die äußerst nervös und unruhig wirkte.
    »Ich riskiere alles, weil ich euch mitnehme«, sagte sie ängstlich. »Ich weiß gar nicht, warum ich das tue!«
    Die Kinder bekamen schon Angst, sie werde es sich anders überlegen. Aber über Samanthas Furcht siegte schließlich doch die Begierde, diesen unschuldigen, naiven Mädchen einmal ihre Welt vorzuführen, die Londoner Halbwelt, in der sie bereits viel mehr Fuß gefaßt hatte, als irgend jemand im Haus ahnte. Sie genoß die erstaunten und ehrfürchtigen Blicke, mit denen die beiden sie musterten. So wie heute hatten sie Samantha noch nie gesehen. Sie trug gewöhnlich ein graues Kleid mit einer schmutzigen Schürze darüber und ein weißes Häubchen auf dem unordentlichen dunkelroten Haar. Heute hatte sie einen roten Mantel an, mit einem etwas schmuddeligen, aber gewaltigen schwarzen Pelzbesatz an Saum und Kragen, riesige funkelnde Ohrringe und Stöckelschuhe, die sie um einen ganzen Kopf größer werden ließen.
Ihre Haare waren zu einem Berg von glänzenden Locken aufgetürmt, auf denen ein roter Hut mit kurzem Spitzenschleier schwebte. Ihre Augen verschwanden fast, so sehr hatte sie Farbe darum herum verteilt. Das unglaublichste aber war ihr Mund, er leuchtete feuerrot und besaß das Doppelte seines normalen Umfanges. Elizabeth fand sie atemberaubend schön und fühlte nur den sehnlichen Wunsch, später auch einmal so auszusehen.
    Als sie auf die Straße hinaustraten, taumelten sie im ersten Augenblick beinahe zurück vor der Kälte, die ihnen entgegenschlug. Die Luft war eisig, vereinzelt fielen Schneeflocken vom Himmel. Das Gras zwischen den Pflastersteinen war mit Reif überzogen, und auf den Laternen vor den gemütlich hell erleuchteten Häusern hatte sich eine Eisschicht gebildet.
    Samantha ging mit großen Schritten voran, so daß die Kinder rennen mußten, um mitzukommen. Hin und wieder knickte Samantha mit ihren Stöckelschuhen um, dann sagte sie so schreckliche Worte wie »verfluchte Dinger« oder stieß einen Schmerzenslaut aus. Ihre Laune sank darüber, und sie schnauzte die Kinder an, wenn sie ihr zu langsam liefen.
    »Wenn wir rechtzeitig dasein wollen, müßt ihr euren gemütlichen Trott aufgeben«, sagte sie böse. »Ich werde dort erwartet, und ich möchte nicht euretwegen den armen Luke warten lassen, versteht ihr? Au!« Das Kopfsteinpflaster hätte sie abermals beinahe zu Fall gebracht. Joanna kicherte, aber Samantha verstand heute keinen Spaß.
    »Ich nehme euch nie wieder mit«, drohte sie, was Elizabeth gar nicht so schlimm fand. Dieses Abenteuer entpuppte sich vorläufig nur als äußerst unangenehme Anstrengung. Sie hatte Seitenstechen vom Laufen, außerdem fror ihr fast die Nase ab, und die dunklen Straßen sahen ganz anders aus als am Tag, richtig trostlos und unheimlich.
    Je weiter sie zur Stadtmitte vordrangen, desto lebendiger wurde es jedoch. Hier befanden sich weniger die vornehmen Bürgerhäuser, sondern mehr Restaurants, Wirtshäuser und Bordelle. Helles Licht fiel auf die Straßen hinaus, Menschen liefen
hin und her, einige torkelten, die meisten lachten laut und klammerten sich aneinander fest. Die Frauen, die aus den Wirtshäusern kamen oder in sie hineingingen, sahen fast alle aus wie Samantha, ähnlich gekleidet und geschminkt. Ein Mädchen mit faszinierend laut klirrenden Ohrringen stürzte auf Samantha zu und fiel ihr in die Arme.
    »Samantha«, schrie sie, »o Samantha, du mußt mir helfen! Ich sterbe! Dieser verdammte Dreckskerl Jack ist mit dieser Schlampe Cathleen abgehauen! Oh, wie kreuzunglücklich ich bin!«
    »Sie sieht aber gar nicht so unglücklich aus«, flüsterte Elizabeth Joanna zu. Darauf kam es jedoch

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