Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
Selbstzufriedenheit. Mochte sie ruhig glücklich sein damit!
     
     
    Die alljährliche Abreise nach Heron Hall verzögerte sich, denn Harriet fühlte sich sehr schwach und lag noch wochenlang im Bett. Draußen kam der Sommer heran und senkte sich mit brütender Hitze über die Stadt. Viele reiche Leute ergriffen die Flucht und zogen sich auf ihre Landgüter zurück, denn an allen Ecken und Enden der überfüllten Stadt brachen schon wieder Seuchen aus. Die Armen krochen aus ihren Kellerlöchern hervor, setzten sich in die Sonne, dankten Gott, daß sie den Winter überstanden hatten, und beteten um einen langen Sommer.
Joanna und Elizabeth fieberten Norfolk entgegen. Elizabeth wäre vielleicht sehr traurig gewesen über die Wochen, die sie noch in London bleiben mußten, doch der Zufall schenkte ihr eine reiche Entschädigung. Im Juli traf sie überraschend John. Sie war mit Agatha und Samantha auf dem Markt gewesen, ohne Joanna, und befand sich nun wieder auf dem Heimweg, als neben ihr eine Kutsche hielt und ein Mann sich herauslehnte. Es war John.
    »Guten Tag, Elizabeth!« rief er. Sie blieb sofort stehen.
    »Oh, Sir Carmody!« Sie trat an die Kutsche heran und reichte ihm die Hand. Agatha und Samantha, die John Carmody kannten, blieben in einiger Entfernung respektvoll stehen.
    »Hattest du einen schönen Winter?« fragte John.
    »Ja, sehr schön.« Elizabeth nickte. »Aber warum haben Sie uns kein einziges Mal besucht?«
    »Ich war nicht eingeladen. Außerdem... Lord Sheridy und ich... du weißt ja!«
    Sie sah ihn an mit einem Blick, in den sie soviel Verständnis wie nur möglich legte. Sie liebte diese Kameradschaftlichkeit, mit der er sie immer behandelte.
    »Was hast du denn alles erlebt?« fuhr John in der Unterhaltung fort. Elizabeth vergewisserte sich, daß Agatha sie nicht hören konnte.
    »Ich habe gesehen«, sie schluckte noch nachträglich vor Aufregung, »ich habe gesehen, wie Ellen Lewis aufgehängt wurde!«
    »Donnerwetter! So weit war ich in deinem Alter noch nicht. Wie fandest du es?«
    »Ich... nun, ich wurde wieder ohnmächtig«, gestand Elizabeth kleinlaut. John sah sie belustigt an.
    »Das geht aber immer ziemlich schnell bei dir«, meinte er.
    »Ja, leider.«
    »Das macht gar nichts. Anständige Damen fallen bei der geringsten Aufregung in Ohnmacht!«
    »Aber irgendwie mag ich das nicht.«
    »Dann wirst du auch damit fertig werden. Paß auf, ich verspreche dir etwas: Das erste Mal, wo du nicht ohnmächtig wirst, wenn du etwas wirklich Scheußliches siehst, eine Hinrichtung
oder einen Mord oder etwas Ahnliches, dann werde ich mit dir ausgehen und dir die verruchtesten Kneipen von London zeigen. Möchtest du das?«
    Elizabeth sah ihn fasziniert an.
    »Ja, natürlich.«
    »In Ordnung. Du brauchst mit deiner Tante Harriet ja noch nicht darüber zu sprechen.«
    »Nein, ich sage ihr nichts. Sir Carmody, möchten Sie nicht noch mit uns nach Hause kommen?«
    »Vielen Dank, doch das geht nicht. Ich habe eine Verabredung. «
    »Mit wem?«
    John mußte lachen.
    »Du fragst ziemlich direkt. Ich bin mit einer Frau verabredet. Du kennst sie nicht.«
    »Ah«, machte Elizabeth eifersüchtig. John strich ihr sacht mit dem Finger über die Nase.
    »Noch...«, er sah sie abschätzend an, »noch sieben Jahre, dann verabrede ich mich mit dir!«
    »Wirklich?«
    »Natürlich. Aber jetzt muß ich weiter. Grüße Lord und Lady Sheridy von mir und die übrige Familie. Auf Wiedersehen, Elizabeth! «
    Die Kutsche rollte an. Elizabeth winkte, aber John sah nicht noch einmal zum Fenster hinaus. Auf dem ganzen Heimweg dachte sie an ihn und an sein Versprechen und daß sie ihn daran erinnern würde, ob er nun wollte oder nicht.
     
     
    Es wurde August, bis sie schließlich die Reise heim nach Norfolk antraten. Nach London und nach der anstrengenden Fahrt erschien ihnen allen Heron Hall wie das Paradies selber. Hier blühten die Rosen in allen Farben, stand das Gras dicht und hoch, hingen die Bäume voller Äpfel und Birnen. Der Himmel war viel blauer als über London, wo ihn der Qualm der Fabriken verschleierte. Ein salziger Wind wehte beständig von der nahen Küste her ins Land und brachte sogar die Möwen mit, die frühmorgens
bereits vor den Fenstern kreischten und damit jeden aus dem Schlaf schreckten.
    Joanna und Elizabeth fuhren häufig mit Agatha zum Meer. Obwohl es dort sehr einsam war und sie selten Menschen trafen, fand Elizabeth es aufregender als den Londoner St.-James-Park. Das Meer wechselte zu jeder Stunde

Weitere Kostenlose Bücher