Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
neben ihr.
    »Das ist eine ziemliche Verletzung«, stellte er fest. Er blickte die Kinder scharf an.
    »Wo wart ihr?«
    »Blut und Schnaps«, murmelte Cynthia ehrfürchtig. Joanna und Elizabeth warfen einander einen Blick der Übereinstimmung zu, mit dem sie einander versicherten zu schweigen.
    »Wer hat euch Alkohol gegeben?« Phillips Stimme wurde immer ungeduldiger.
    »Nun gut«, sagte er schließlich, »ihr bleibt eine Woche in eurem Zimmer. Es sei denn, ihr redet. Überlegt es euch!«
    Joanna und Elizabeth verließen das Zimmer, stiegen die Treppe hinauf und fühlten sich unglaublich edel.
    »Wir nehmen alles auf uns«, sagte Elizabeth, »aber wir halten den Mund.«
    »Ja«, hauchte Joanna überwältigt, »ganz gleich, was sie mit uns machen!«
    Die cinwöchige Haft erwies sich nicht als unerträglich. Samantha erschien jeden Tag heimlich bei den Gefangenen, um ihnen ein wenig die Zeit zu vertreiben.
    »Das werde ich euch nie vergessen«, sagte sie, »und Luke auch nicht. Er findet euch großartig. Er hat gesagt, wenn ihr einmal Hilfe braucht, könnt ihr euch immer an ihn wenden!«
    Elizabeth schwieg, aber bei sich dachte sie, daß sie hoffentlich nie im Leben die Hilfe von Luke und Samantha brauchen würde. Für sie lag etwas Unheimliches über den beiden und ihrem Leben, etwas, das sie merkwürdig anzog und zugleich ängstigte. Auch nach Wochen, als längst die alte sorglose Heiterkeit eines
jeden Tages zurückgekehrt war, konnte sie einen Schatten über sich nie ganz vertreiben.
     
     
    Anfang Mai beschloß Phillip, nach Devon zu reisen, um dort seinen Freund, den alten Lord Carmody, zu besuchen. Joanna quengelte so lange, bis er sich bereit erklärte, die beiden Mädchen mitzunehmen. Cynthia sollte bei Harriet bleiben, die in wenigen Wochen ihr drittes Kind zur Welt bringen würde.
    Die Fahrt nach Devon verlief wunderschön, obwohl sie sehr lange dauerte. Die zauberhafte Frühlingslandschaft und das sonnige Wetter entschädigten für alle Strapazen. Zu Elizabeths großer Enttäuschung wurden sie nicht von John begleitet, überhaupt hatte sie von ihm den ganzen Winter über nichts gehört. Auf ihre Fragen nach dem Freund antwortete Phillip:
    »Ach, John ist ein Herumtreiber. Er verkehrt nicht gerade in den besten Kreisen, jedenfalls nicht in unseren. Und seinen Vater besucht er kaum. Die beiden verstehen einander nicht.«
    An einem sehr warmen Tag erreichten sie Blackhill, das Gut der Carmodys, das nahe dem Städtchen Taunton lag. Es stand schon seit dreihundert Jahren auf einem waldigen Hügel in tiefster Einsamkeit, umgeben von nichts anderem als Bäumen und Wiesen. Es mußte einst ein traumhaft schönes Haus gewesen sein, großzügig und elegant gebaut, dabei prunkvoller als Heron Hall, fast ein wenig bedrohlich in seiner gewaltigen Schönheit. Jetzt konnte jeder die bittere Armut sehen, in der die einst so reiche Familie Carmody lebte. Früher hielt sie ebensoviel Macht wie Geld in den Händen, nahm Einfluß auf Politik und Wirtschaft Englands, heute war dieser Glanz längst verflogen, und nur der Adelsname blieb als letzte Ehre.
    Auf dem Hof wuchsen Gras und Unkraut bis zur Haustür hin, in den halb eingestürzten Ställen, in denen längst keine Tiere mehr standen, stapelte sich das Gerümpel. Ein magerer Hund schnüffelte um die Bäume herum, und vom Dachgiebel flatterten kreischend ein halbes Dutzend Vögel davon, die dort behaglich in dem alten Holzgebälk nisteten.
    Lord Carmody aber stand lächelnd und stolz auf den Stufen
zu der Eingangstür, so würdevoll, als hieße er Gäste in einem prunkvollen Schloß willkommen. Elizabeth fand ihn auf den ersten Blick beeindruckend. Obwohl seine abgetragene Kleidung an ihm herumschlabberte und ihm seine weißen Haare wirr ins Gesicht fielen, strahlte er die gelassene Würde des englischen Aristokraten aus. Als er sich zu Elizabeth herabneigte, um sie zu begrüßen, sah sie, daß er dieselben blauen Augen hatte wie John.
    Leider war Lord Carmody nicht allein in Blackhill. Die Kinder lernten zu ihrem Schrecken zwei Verwandte von John kennen, seine Tante Marie und seine Kusine Hortense, die vom Kontinent kamen und für einige Monate in Blackhill lebten. Tante Marie hatte ein erschreckend strenges Gesicht, Hortense war ein sechzehnjähriges Mädchen, das so häßlich war wie die Nacht und nie auch nur einen Ton sagte. Beide regten sich ständig darüber auf, wie heruntergekommen Blackhill war. Hortense in stummer Entrüstung, Tante Marie lautstark schimpfend.

Weitere Kostenlose Bücher