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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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du.«
    »Was habe ich schon Großartiges getan?«
    »Du hast jedenfalls nie Angst gezeigt«, sagte Elizabeth. »Ich denke manchmal, du kennst so etwas überhaupt nicht!«
    Joanna lachte, aber es klang verkrampft.

    »Wie wenig du mich kennst«, rief sie. »Ich habe keine Angst, meinst du? Vielleicht habe ich nur vor anderen Dingen Angst als du. Du hast recht, vor einer Miss Brande fürchte ich mich nicht. Ich kann auch zusehen, wenn jemand aufgehängt wird, ohne gleich wie du in Ohnmacht zu fallen. Aber ich habe trotzdem Angst. Ich habe eine höllische, furchtbare Angst, verlassen zu werden. Ich habe Angst, Menschen zu verlieren, die ich liebe. Du wirst sagen, daß jeder davor Angst hat, aber nicht jeder denkt Tag und Nacht darüber nach. Und als du jetzt fortgegangen bist...« Sie begann plötzlich zu weinen. Ihr ganzer Körper zitterte vor Schluchzen, aber sie versuchte gar nicht, sich zu beruhigen.
    »Was glaubst du denn«, schrie sie plötzlich, »wie ich eine Mutter wie Harriet überstehen soll ohne dich! Sie ist so düster, daß ich an ihr sterben könnte. Ich hasse sie! Ich hasse sie genauso, wie Cynthia sie gehaßt hat!«
    »Aber Joanna!« Elizabeth rüttelte sie an den Schultern. »Joanna, du weißt gar nicht, was du sagst. Was hat Harriet dir denn getan? Sie ist nur etwas...«
    »Sie macht nur die Menschen ihrer Umgebung krank, sonst gar nichts. Sie ist eine tyrannische, bösartige, machtgierige Person. Sie ist tausendmal schlimmer als Miss Brande! Miss Brande ist nur ein armes Scheusal, das jeder leicht durchschauen kann und das viel zu unbedeutend ist, um gehaßt zu werden.«
    Elizabeth zuckte zurück vor Entsetzen über diese Angriffe. Aber schon beruhigte sich Joanna wieder. Sie sah auf und lächelte.
    »Entschuldige«, sagte sie, »ich habe dich erschreckt. Es tut mir leid. Ich bin etwas überdreht im Moment.«
    »Natürlich.«
    »Versprich mir nur eines«, bat Joanna, »versprich mir, daß du nie wieder fortgehst. Nicht zu John und zu niemandem sonst.«
    Elizabeth fand, daß Joanna viel verlangte, aber in ihrem Schrecken über den Ausbruch fand sie sich bereit, dieses Versprechen zu geben.
    »Aber ja, Joanna«, sagte sie freundlich. »John will mich ohnehin
nicht und wird wahrscheinlich schon hysterisch, wenn er mich das nächste Mal sieht. Da kann ich auch bei dir bleiben. Ich verspreche es dir.«
    Joanna stand auf.
    »Du meinst kein Wort von dem, was du sagst, ernst«, sagte sie, »und du hast gar nichts begriffen. Gute Nacht, Elizabeth. Schlaf gut.« Sie verließ das Zimmer. Elizabeth, verwirrt und erschrocken, blieb die ganze Nacht wach.
    Als der Morgen graute, düster, wolkig und kühl, und feuchte Regenluft ins Zimmer drang, hatten sich ihre Sinne beruhigt. Zwei Dinge waren geschehen, vor denen sie ihre Augen nicht verschließen durfte: Sie hatte John gesagt, was sie für ihn empfand, und er hatte das nicht ernst genommen, und doch entschloß sie sich an diesem Morgen, ihn nicht aufzugeben. »Und wenn ich mit dem Satan selbst ein Bündnis schließen müßte«, murmelte sie, »ich werde eines Tages schön sein, so schön wie Laura und tausendmal schöner!« Mit einem heftigen Schwung stieg sie aus dem Bett.
    Die zweite Erkenntnis betraf Joanna. Ihr wilder Ausbruch in der vergangenen Nacht hatte in Elizabeths Lebensvorstellung etwas verändert. Joanna war nicht so stark, wie sie immer geglaubt hatte. In ihr schlummerten Gefühle, Ängste und Schmerzen, von denen niemand etwas ahnen konnte, der ihr ruhiges, fröhliches Gesicht sah. Mit dem Wissen um Joannas Verletzlichkeit mußte sie leben, aber es würde ihr jetzt leichter fallen als jemals zuvor, ihre eigenen Zweifel und Nöte zu ertragen. Das Jahr der Angst und ihre verzweifelte Flucht hatten eine neue Stärke in ihr wachsen lassen, die sie härter werden ließ.
    Sie ging hinunter zum Frühstück, wo sich die anderen Mädchen schon aufgeregt unterhielten. Sie verstummten, als sie Elizabeth erblickten, deren Verschwinden in den letzten Tagen für wilde Vermutungen und haarsträubende Gerüchte gesorgt hatte. Belinda sah aus, als wollte sie sofort neugierige Fragen stellen, aber Elizabeth, die das bemerkte, warf ihr einen so kalten Blick zu, daß es ihr die Sprache verschlug.
    »Ach Elizabeth, hast du schon gehört, was geschehen ist?«
fragte Maureen schnell, um die gespannte Stimmung zu lockern. »Die Köchin hat es heute früh von dem Milchmädchen erfahren. In Cambridge ist gestern ein Kaufmann von einem unbekannten Mann und einer Frau

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