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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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eine Wand und abgemagert stand sie die Beerdigung durch, auf Joanna und Cynthia gestützt, während Elizabeth daneben stand und den inzwischen achtjährigen George an der Hand hielt. Sie schaffte es danach kaum bis zum Haus zurück, wo sie im schwarzverhängten Wohnzimmer auf ein Sofa sank und dort mit starrem Gesicht die Beileidsbezeugungen über sich ergehen ließ, die ihr von den Trauergästen entgegengebracht wurden. Ihre Freundin Viola saß neben ihr und wischte ihr hin und wieder mit einem Spitzentaschentuch über die Stirn. Hinter ihr stand Edna, die Zofe, bereit, jeden Gast rücksichtslos aus dem Haus zu weisen, wenn die Schwäche ihrer Herrin zunehmen sollte.
    Mehr noch aber als Harriet setzte die Hitze dieses Tages Joanna zu. Sie war in der letzten Woche ständig auf den Beinen gewesen, um diese Feier vorzubereiten. Die Anspannung ließ jetzt nach, und Müdigkeit überfiel sie. Da nirgendwo mehr ein freier Stuhl zu finden war, ihre Füße sich aber weigerten, sie noch länger zu tragen, hatte sie sich einfach auf die oberste Treppenstufe gesetzt. Sie konnte von dort aus die ganze Halle überblicken, in der ein reges Kommen und Gehen herrschte. Sie entdeckte Cynthia, die neben ihrem Mann stand und mit einigen anderen Herren plauderte. Cynthia war, entgegen allen Erwartungen, ihre Ehe glänzend bekommen. Anthony Aylesham betrog seine Frau schamlos, aber die kümmerte sich nicht darum, sondern nutzte seine Schuldgefühle, sein Geld mit vollen Händen
auszugeben und ein Leben in überwältigendem Luxus zu führen. Innerhalb dieser stillschweigenden Übereinkunft der Großzügigkeit verstanden sich die beiden wunderbar und lebten in schönstem Frieden.
    Cynthia wirkte sehr elegant in einem Kleid aus schwarzem Taft, einen kleinen Hut aus Samt auf dem blonden Haar und einen hauchdünnen Spitzenschleier vor dem Gesicht. Anthony, ebenfalls in Schwarz, das graugesträhnte Haar zurückgekämmt und mit einer Schleife gehalten, vollendete das schöne Bild, das die beiden abgaben. Er gehörte zu den letzten der Londoner Gesellschaft, die sich das Haar noch puderten, während die meisten darauf verzichteten, seit die Regierung auch den Puder mit Steuern belegt hatte. Aylesham demonstrierte damit, daß er sich ein so extravagantes Vergnügen immer noch leisten konnte.
    Joannas Blick glitt weiter und fiel auf den kleinen George, der die Tragik des Tages nicht ganz begriff. Er war ein außergewöhnlich hübsches Kind und zudem der neue Lord Sheridy, und er wurde von jedem Menschen im Haus verzogen. Alle glaubten, es mit dem freundlichsten Kind der Welt zu tun zu haben, aber Joanna und Elizabeth, die ihn hin und wieder ohne Maske erlebten, wußten, daß er ein ebenso charmantes wie launisches Geschöpf war.
    Joanna bemerkte, daß Elizabeth eben an Harriet herantrat und ihr ein Glas Wasser reichte. Phillips Tod hatte die Freundin sehr angegriffen; daher sah sie blaß aus, aber dennoch war sie heute die reizvollste Erscheinung im Raum. Joanna, die immer mit ihr zusammenlebte, hatte die Entwicklung von dem Kind zu einem jungen Mädchen nicht richtig mitbekommen, aber Leute, die sie lange nicht gesehen hatten, tuschelten schon den ganzen Tag über sie.
    »Das ist Elizabeth Landale? Du lieber Gott, ich hätte sie nie wiedererkannt. Sie haben hübsche Mädchen dort in Amerika...«
    »Wenn man bedenkt, daß sie mitten aus der Wildnis kam! Von einer Baumwollplantage in Louisiana!«
    Manche Dame hatte auch Elizabeths Vater gekannt und verdrehte schwärmerisch die Augen beim Anblick seiner Tochter.
    »Sieht sie nicht ganz aus wie der selige Henry? Welch eine ungeheure Ähnlichkeit!«
    Mit siebzehn Jahren hatte sich Elizabeth in ein zerbrechlich schmales Geschöpf verwandelt, so dünn, daß manche fanden, sie sehe fast ein bißchen krank aus. Die kohlschwarzen Haare trug sie jetzt zu modischen Locken aufgetürmt, darunter sah ein zartes Gesicht mit reinblauen Augen hervor, dessen Augenbrauen und Mund sich ein wenig zu arrogant bogen. Die meisten Leute rätselten, ob sie dieses Mädchen als lieblich bezeichnen sollten oder nicht, denn es bestand eine verwirrende Spannung zwischen ihrem sanften Lächeln und den überwachen, scharf und kühl beobachtenden Augen. Nur Joanna wußte, wieviel Weichheit sich in Elizabeth verbarg und wie entschlossen sie die geheimhielt. Seit der Zeit bei Miss Brande hatte ein neues Mißtrauen von Elizabeth Besitz ergriffen, das sie allen Menschen gegenüber sehr vorsichtig sein ließ.
    Joanna selbst wirkte

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