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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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und verletzlich wie fremd und schön erschien.
    Das Geschrei aus den Wirtshäusern war nicht verstummt und der Alkohol nicht verflogen, als alles vorüber war. Die Nacht war wie vorher, und doch kam es Elizabeth vor, als sei nichts mehr wie früher. Ein ruhevolles Glück strömte über sie hinweg und schien überzugehen in die Dunkelheit ringsum. Sie lag in Johns Armen, ihre Finger strichen über seinen Mund, der weich und entspannt war, und sie schmiegte ihren Kopf an seine Schulter.
    »Als ich dich das erste Mal sah«, sagte sie leise, »habe ich dich von einem Moment zum anderen geliebt. Die ganzen Jahre habe
ich von heute nacht geträumt, und ich glaube, ich habe immer gewußt, daß alles so kommen würde.«
    »Aber du kannst es dir nicht so vorgestellt haben«, erwiderte John, »nicht so wunderbar schön. Ach Elizabeth«, er richtete sich auf und betrachtete die schattenhaften Umrisse ihres Gesichtes, um das herum ihre wirren, schwarzen Haare lagen, »du hast wirklich nie jemand anderen geliebt?«
    »Niemanden. Gott sei Dank, denn sonst wäre ich vielleicht nicht hiergewesen und hätte dir gezeigt, was ich ...« Sie brach ab, und John lächelte.
    »Ich würde gern wissen«, sagte er, »wer von uns eigentlich die Geschehnisse dieser Nacht gesteuert hat. Du oder ich?«
    Auch Elizabeth lachte.
    »Du jedenfalls weniger, als du denkst«, entgegnete sie, »aber vielleicht wir beide nicht. Es ist einfach alles so geschehen, wie es geschehen mußte.« Sie schwieg und küßte ihn, ehe sie nachdenklich fortfuhr:
    »Aber weißt du, was traurig ist? Daß es irgendwann wieder Tag wird und wir aufstehen müssen und unter Menschen gehen und Entscheidungen treffen ... anstatt für den Rest unseres Lebens hier liegenzubleiben. Es ist so friedlich.«
    »Die Nacht dauert ja noch ein paar Stunden.«
    »Ja, aber... vielleicht haben wir diesen Frieden nie wieder. 0 John, weißt du, daß ich mich noch nie so geborgen gefühlt habe? Nicht einmal als Kind in Louisiana!«
    »Was bemerkenswert ist, wenn du bedenkst, daß wir in einem Bett und in einem Zimmer liegen, wofür keine Miete bezahlt ist. Wir lieben uns hier völlig illegal!« In Johns Stimme klang diesmal nichts von der Bitterkeit, mit der er sonst oft über seine Armut sprach, sondern nur die gleiche tiefe, sanfte Heiterkeit, die auch Elizabeth empfand.
    »Wir sind überhaupt ziemlich sittenlos, John. Wir haben nicht einmal geheiratet!«
    »Ja, das haben wir in der Eile ganz vergessen. Elizabeth«, er zog sie noch dichter an sich heran und war plötzlich wieder ganz ernst, »ging dir das wirklich nicht alles viel zu schnell?«

    »Ich hätte es dir doch gesagt. Es ging alles so, wie ich es wollte«, antwortete Elizabeth, ein wenig amüsiert darüber, daß John immer noch glaubte, er hätte die Nacht inszeniert, »und ich bin so glücklich, daß ich morgen sogar Tante Harriet gegenübertreten kann — ohne die Spur eines schlechten Gewissens.«
    »O Gott, ja, Tante Harriet. An die habe ich gar nicht mehr gedacht«, bekannte John, »aber du hast recht, wir müssen wohl zu ihr gehen. Glaubst du, sie merkt etwas?«
    »Nein. Tante Harriet merkt nie etwas. Und außerdem sind wir beide zusammen, und solange wir zusammen sind, überstehen wir Tante Harriet, deine widerliche Wirtin, Hunger, Durst und jeden Menschen, der etwas gegen uns hat. Glaubst du das nicht auch?«
    »Doch.« John verbiß es sich zu sagen, daß er aus Erfahrung wußte, daß es nicht so war. Elizabeth würde es selber merken, davor konnte er sie nicht schützen. Aber er hatte in dieser Nacht begriffen, daß sie weder ein Kind war noch ein traumverlorenes Wesen jenseits aller Wirklichkeit. Wenn sie tatsächlich bei ihm bliebe, würde sie alles ertragen können, was auf sie zukam.

6
    Der November neigte sich bereits seinem Ende zu, als Harriet, Joanna und George nach Norfolk aufbrachen, begleitet von Edna und Agatha sowie zwei weiteren Dienern, gefolgt von den Kutschen mit den unüberschaubaren Mengen ihres Gepäcks. Das Londoner Haus war versteigert worden und hatte eine ganze Menge Geld eingebracht. Die Familie hätte die Stadt schon längst verlassen können, wenn nicht Joanna einen wochenlangen, zermürbenden und verzweifelten Kampf um Elizabeth geführt hätte, der schon verloren war, ehe er begonnen hatte.
    Als sie ihr an jenem Morgen nach der ereignisreichen Nacht
gegenüberstand, ihr und John, da wußte sie auf den ersten Blick, was geschehen war. Die beiden erschienen erst am späten Vormittag im Haus der

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