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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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brannte ein Feuer, von draußen sprühte kalter Nieselregen gegen das Fenster. Joanna ließ sich dicht vor dem Ofen auf dem Teppich nieder und streckte ihre frierenden Füße gegen die Flammen. In Gedanken war sie weit fort, über die vielen Meilen zurück in London. Mit ausdrucksloser Miene, ohne sich zu bewegen, dachte sie an Elizabeth.
     
     
    Für Elizabeth verlief der Dezember äußerst ungemütlich und kalt. Sie war nun ganz in Johns Zimmer in der Butchery Alley umgesiedelt, aber von dem Geld und dem Schmuck, den sie mitbrachte, hatte John die überfälligen Mieten bezahlt und drei im voraus sowie einen Berg anderer Schulden beglichen. Am ersten Dezember besaßen sie schon kein halbes Pfund mehr. Elizabeth geriet ganz außer sich.
    »Aber wie kann das denn möglich sein?« rief sie. »Ich kam als wohlhabendes Mädchen zu dir, und es hat keine drei Wochen gedauert, bis du jeden einzelnen Farthing ausgegeben hast!«
    »Es tut mir wirklich leid«, meinte John zerknirscht, »aber ich hatte dich doch gefragt, ob ich meine Schulden davon bezahlen könne. Wir wären sonst in eine ziemlich verzweifelte Lage gekommen und am Ende im Schuldgefängnis von Newgate gelandet!«
    »Natürlich wollte ich, daß du mein Geld dafür verwendest. Aber wie hast du es denn bloß geschafft, so viele Schulden zu machen? «
    »Das hat sich über die Jahre angesammelt. Ich mußte ja von irgendwas
leben, und dann gab es auch immer wieder einmal Freunde, denen es schlechtging...«
    Elizabeth schwieg, um keinen Preis sollte es zu einem Streit kommen, und sie mochte auch nicht wie ein Inquisitor vor ihm stehen und ihn befragen. Aber wovon sollten sie jetzt leben? Es machte sie rasend, daß John über diese Frage gar nicht nachzudenken schien. Er wirkte ganz glücklich und sah sich jeder Sorge enthoben, nur weil bis Ende Februar die Miete bezahlt war und sie sicher sein konnten, den Winter lang ein Dach über dem Kopf zu haben. Es kümmerte ihn nicht, daß im Schrank kein einziges Stück Brot mehr lag und im Ofen kein Feuer brannte. Eines Morgens, als Elizabeth aufwachte und sich in dem eiskalten Zimmer umsah, vor dessen Fenster Schneeflocken herumwirbelten, brach sie in Tränen aus und schluchzte so lange, bis auch John sich verschlafen aufrichtete.
    »Was ist denn?« fragte er müde. »Warum weinst du?«
    Elizabeth kam sich völlig albern vor, doch sie antwortete: »Mir ist so kalt!«
    »Hier im Bett?«
    »Nein – aber sonst ist alles kalt!«
    »Ja«, meinte John bedauernd, »wir können kein Holz kaufen. Aber wir können heute wieder in die Wirtshäuser gehen, dort ist es immer schön warm.«
    Sie hatten die ganze vergangene Woche in Wirtshäusern verbracht, und Elizabeth empfand ein schon fast hysterisches Grauen vor all dem Geschrei und Gequalme, den vielen Betrunkenen und den aufgetakelten Huren.
    »Nein, ich habe es satt«, jammerte sie, »ich will nicht!«
    »Dann bleiben wir eben liegen.«
    »Den ganzen Tag? Das ist ja schrecklich! Ich finde es trostlos, tagsüber zu schlafen!« Sie stand schließlich auf, zog zwei Kleider übereinander an und legte eine Decke um ihre Schultern. Wie gut, daß sie wenigstens noch ihre hübschen, warmen Kleider besaß! Die fehlende Nahrung hingegen wurde zu einem immer drängenderen Problem. Elizabeth wollte sich in der allerersten Zeit selber nicht eingestehen, wie häufig sie darüber nachdachte,
denn es kam ihr ganz unpassend vor, von ihrer herrlichen Verliebtheit immer wieder zu einem so überaus irdischen Kümmernis zurückzukehren, aber es half nichts. Fasziniert beobachtete sie, mit wie wenig Essen am Tag John auskam. Ein Teller Suppe im Gasthaus oder ein Stück Brot von seinem freundlichen, ewig betrunkenen Nachbarn reichte ihm völlig. Elizabeth fühlte sich bereits jeden Mittag so schwach, daß ihr ganz schlecht wurde. Sie kam sich abstoßend gefräßig vor, aber sie griff nach jedem Bissen, den sie nur kriegen konnte. Ich werde an Johns Seite verhungern, dachte sie panisch. Gott mag wissen, wie er das aushält, aber ich kann es nicht! An einem Sonntag im Dezember, als sie frierend im trüben Licht ihres Zimmers vor einer Wassersuppe saßen, sprang Elizabeth plötzlich auf und warf mit wütendem Schwung ihren Teller um, so daß er auf den Boden fiel und die Suppe an die Wände spritzte.
    »Verdammt, John!« schrie sie. »Ich habe Hunger! Ich habe schrecklichen, grauenhaften, maßlosen Hunger! Ich habe solchen Hunger, daß ich schon fast meine Liebe zu dir vergesse, weil meine Gedanken um

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