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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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den Kreisen der Miliz war längst durchgesickert, warum man in jener Nacht Lord und Lady Aylesham hatte verhaften wollen, so daß jeder nun wußte, daß es der elegante Anthony zu nichts weiter als Schulden gebracht hatte und nun auch noch von Schmugglern benutzt worden war. Alle, die bei dem Fest gewesen waren, wurden heftig beneidet, und sie nutzten das sofort dazu aus, die wildesten Gerüchte auszustreuen. Die Geschichte einer abenteuerlichen Verfolgungsjagd kursierte in der Stadt, Anthony und Cynthia auf zwei galoppierenden Pferden voran, die Soldaten hinterher, kreuz und quer durch alle Gassen. Cynthia sollte sich mehrmals umgedreht und Schüsse aus einer Pistole auf ihre Verfolger abgegeben haben. London lauschte genießerisch, bis auf jene nun verlachten Kaufleute, die Anthonys gewandtem Auftreten vertraut, ihm großzügigen Kredit gewährt hatten und sich nun schrecklich betrogen sahen. Doch das war ja noch längst nicht alles! An allen Straßenecken erzählte man sich die zweite schockierende Neuigkeit.
    »Haben Sie schon gehört, meine Liebe, Lady Sheridys Pflegekind, diese Amerikanerin Elizabeth Landale, will mit John Carmody in der Butchery Alley zusammenleben – ohne ihn zu heiraten!«
    »Die ärmste Harriet, wie muß das ihre puritanische Seele quälen! Schrecklich! Elizabeth ist ihr doch wie eine Tochter.«
    Tratsch und Spott blühten ungehindert. Wenn Joanna durch die Stadt fuhr, blieben die Dienstmädchen stehen, sahen ihr nach und kicherten. Straßenjungen riefen Unverschämtheiten, die Lords und Ladies lächelten anzüglich. Längst wußte man ja auch, daß nach Phillips Tod finanzielle Sorgen über die Familie hereingebrochen waren. Wirklich, ein Untergang konnte sich kaum
rauschender ankündigen. Mitleidlos sahen Adel und Bürgertum Londons zu, wie eine der ältesten und vornehmsten Familien des Landes ihrem Niedergang entgegenzugehen schien.
    Harriet verschanzte sich vor diesem Sturm hinter den Wänden ihres Hauses und trat kein einziges Mal heraus. Sie empfing keinen Besuch, ließ sogar Lady Viola abweisen, die, eine hämische Belinda im Schlepptau, sofort herbeigeeilt kam, um die allerneuesten Neuigkeiten zu erfahren, später auszuschmücken und in Umlauf zu bringen. Doch an Harriet war nicht heranzukommen. Sie hätte genausogut tot sein können.
    Joanna hingegen schien das alles nicht zur Kenntnis zu nehmen. Sie hatte so viel größere Sorgen als eine gehässige Feindesschar, daß sie sich nicht im geringsten um die Angriffe scherte. Ihr war, als müsse sie zerbrechen vor Kummer um den Verlust Elizabeths, als müsse sie sterben vor Haß auf John Carmody — was sollte sie sich da noch um anderes kümmern? Sie bemerkte nicht einmal, daß sie in all dem Elend tatsächlich einen einzigen Freund zurückbehalten hatte. Edward besuchte sie beinahe jeden Tag, saß bei ihr, auch wenn sie kein Wort sprach, begleitete sie auf ihren Wegen zu Mr. Elmwood oder auf ihren kurzen Spaziergängen im novemberkahlen Hyde Park. Er selbst setzte sich damit ebenfalls Hohn und Spott aus, aber das kümmerte ihn nicht. Seine Liebe zu Joanna wuchs von Tag zu Tag, und es schien ihm unmöglich, sie je wieder zu verlassen.
    Als sie schließlich mit ihrer Mutter und ihrem Bruder nach Norfolk aufbrach, versprach er ihr, sobald er nur konnte zu folgen. Er stand im Nieselregen neben der Kutsche und fragte sich, ob Joanna ihn überhaupt verstanden hatte, so starr sah sie an ihm vorbei.
    In den ersten Dezembertagen kamen Joanna, Harriet und George in Heron Hall an. Das alte Schloß mit seinen vielen Fenstern, mit den abgeblätterten Wänden, der hügelige Park empfingen sie mit ihrer ganzen gelassenen, freundlichen Ruhe. Die Kutschen rollten über die vertrauten Kieswege, unter kahlen, schwarzen Bäumen hindurch, um deren Äste graue Nebelschwaden hingen. Etwas von dieser Vertrautheit ging auf Joanna
über, vermochte den Schmerz nicht zu bannen, legte sich aber besänftigend darüber. Sie wußte, daß gerade hier noch schlimme Stunden auf sie warteten, daß all die Jahre mit Elizabeth wiederauferstehen würden, doch im Augenblick war in ihr nichts als die Erleichterung, nach einer langen Reise daheim anzukommen. Sie führte die von Strapazen und Kummer geschwächte Harriet in ihr Zimmer, sie sorgte dafür, daß George etwas zu essen bekam, daß die Dienstboten die Wagen abluden und alles im Haus verstauten. Erst dann begab sie sich selbst in ihr Zimmer, jenes, das sie seit dem Jahre 1789 mit Elizabeth geteilt hatte. Im Kamin

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