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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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ausgemalt hatte. Sie versuchte, den störenden Alkoholgeruch zu ignorieren. Blitzschnell glitten Gedanken über sie hinweg. Welch unvorhergesehenes Schicksal! Jahrelang lief sie John nach, setzte Himmel und Hölle in Bewegung, um ihm nahe zu sein, verzweifelte fast an seiner gleichgültigen Freundlichkeit, und dann erfüllte sich ihre Sehnsucht irgendwo in einem Londoner Elendsviertel, in einer ganz verworrenen Nacht. Sie fühlte sich müde, spürte ein Kratzen im Hals und kam sich häßlich vor, weil ihr Haar ganz durcheinander sein mußte und sich bestimmt die Schminke in ihrem Gesicht verwischt hatte. Aber es spielte keine Rolle, nichts mehr von diesen Dingen.
    »Ich glaube, ich liebe dich«, flüsterte John. »Weiß der Teufel, warum ich das erst jetzt begreife. Du hast dich so sehr verändert. «

    »Ich liebe dich auch«, erwiderte sie leise, »und du weißt, daß ich das immer getan habe.« Es war nun gar nicht schwierig, davon zu sprechen. Es beglückte sie zu sehen, wie rasch sich alltägliche Beschwernisse vor der Liebe auflösten. Ehemals quälende Gefühle verloren ihre Bedeutung.
    Der mitreißende Wirbel schöner Empfindungen, in den sich Elizabeth gerade gleiten lassen wollte, wurde unsanft unterbrochen, als Johns Hände, die bislang um ihre Taille gelegen hatten, über ihren Körper hinauf zu ihrem Hals glitten und begannen, ihr Kleid langsam von den Schultern zu streifen. Seine Direktheit erschreckte sie maßlos, und es gelang ihr nur mit Mühe, ihr Entsetzen zu verbergen. Muß das denn sein, dachte sie unglücklich. Mit starren Augen sah sie an ihm vorbei hinüber zur Wand. Jetzt wieder ernüchtert und ganz und gar in die Wirklichkeit zurückgekehrt, nahm sie jeden Riß, jeden Wasserfleck, den bröselnden Kalk überdeutlich wahr. In ihren Träumen waren sie und John einander in die Arme gesunken und hatten Stunden damit verbracht, engumschlungen dazustehen. Aber jetzt, in der Wirklichkeit, war John ungeheuer zielstrebig. Sie fühlte seine Hände auf einmal überall, wurde von ihm zurückgedrängt, bis sie beide auf seinem Bett lagen, das, wie sie flüchtig registrierte, äußerst morsch und unbequem war.
    Ich habe es nicht anders gewollt, schoß es ihr durch den Kopf, während sie eine Spinne beobachtete, die über ihr an der Decke entlangkrabbelte, es geschieht nur, was ich immer wollte. Und wenn ich jetzt etwas sage, dann gibt es diese Gelegenheit vielleicht nie wieder.
    Johns Gesicht war dicht über ihrem, und sie erkannte in seinen Augen eine Zärtlichkeit, die sie nie zuvor bei einem Menschen gesehen hatte, nicht einmal bei Joanna.
    Er liebt mich wirklich, dachte sie, was auch vorher war oder später sein wird, in diesem Moment liebt er mich!
    Sie legte beide Arme um seinen Hals und zog ihn näher zu sich heran. Seine Lippen berührten ihre, als er flüsterte: »Elizabeth, ich liebe dich so sehr. Ich habe es dir wirklich nie bewiesen, aber du mußt es mir jetzt glauben.«

    »Aber ich glaube es dir ja«, erwiderte sie. Mit einem leichten Anflug von Zynismus, zu dem sie in gefühlsbetonten Augenblicken neigte, überlegte sie, wie viele Frauen es gegeben haben mochte, die vor ihr solchen Worten von ihm hingerissen gelauscht hatten. Aber seltsamerweise verletzte sie dieser Gedanke nicht. Laura und alle anderen gehörten der Vergangenheit an. Sie hatte ihn jetzt, und worauf auch immer das hier hinauslief, sie spürte darin die Möglichkeit, ihn für immer zu behalten. Jahrelang hatte sie ihm ihre Liebe geboten, und er hatte sie verschmäht, aber heute wollte er sie, und diese erste Schwäche würde sie sich zunutze machen, wie sehr es sie auch Anstrengung kostete, ihm weder ihre Furcht noch ihre Unsicherheit zu zeigen. Sie vernahm seine sanfte Stimme, ohne genau zu verstehen, was er sagte, sie erinnerte sich später nur noch an unwesentliche Dinge, an den starken Geruch nach Schnaps und Wein, an das Gegröle, das aus den Kneipen heraus nach oben drang, und daran, daß ihr ganz kurz Joanna in den Sinn kam, wie eine Gestalt aus einem früheren Leben. John war das einzige, was existierte, seine Augen, sein Atem und sein Körper, und Elizabeth merkte, wie sie all die kühlen, ironischen Überlegungen verließen, mit denen sie sich gern gegen die schwindelerregende Unwirklichkeit dieser Nacht verteidigt hätte. Sie ließ jeden weiteren Gedanken von sich abgleiten, hielt aber die Augen weit offen, weil sie keine Sekunde lang den Ausdruck von Johns Gesicht verlieren wollte, der ihr auf einmal ebenso zart

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