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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Licht am Horizont den nächsten Tag ankündigte.
     
     
    Es dauerte recht lange, bis John und Elizabeth Johns Wohnung erreichten. Zumindest schien es Elizabeth so, denn sie vermochte kaum noch zu laufen. Die zarten Schuhe, die sie an diesem Abend zum ersten Mal trug, drückten erbarmungslos, und wären die Straßen nicht voller Unrat und Schmutz gewesen, sie hätte sie ausgezogen. Die Gegend, in die sie kamen, wurde immer finsterer und verwahrloster, wenn sich auch kaum jemand in den Gassen herumtrieb, denn dazu war diese Nacht zu kalt. Aber aus mancher Kneipe drangen heisere Rufe und schrilles Gelächter nach draußen, und in einigen Hauseingängen hockten schlafende Gestalten, vom Alkohol überwältigt und in tiefe Träume fortgeführt. Es mußte sich ungefähr um den Teil Londons handeln, in den Samantha einst mit den Mädchen zu Ellen Lewis’ Hinrichtung gegangen war, das schreckliche Armenviertel an den Docks. Seither war Elizabeth nie mehr hiergewesen, doch hatten die Jahre diesen Ort nicht verändert.
    »Gehen Sie auch manchmal in diese Wirtshäuser?« erkundigte sie sich bei John, als sie an einer Kneipe vorüberkamen, aus der besonders wüstes Geschrei tönte.
    »Manchmal«, antwortete John, »wenn ich Geld habe.« Dann schwiegen sie, bis sie in der Butchery Alley und vor einem alten, baufälligen Haus anlangten. John stieß die morsche Tür auf.
    »Im ersten Stock wohne ich«, erklärte er, »aber seien Sie leise, sonst wacht die Wirtin auf.«
    Hintereinander schlichen sie die Treppe hinauf. Auf dem obersten Absatz kam ihnen ein schwankender Mann entgegen.
    »Guten T...tag, John«, murmelte er. »Oh, Verzeihung, L...lady, habe Sie ganz übersehen. Guten T...tag!«
    Er schien angestrengt nachzudenken.
    »Ich war in der Kneipe«, eröffnete er den beiden dann, »und ich will v...verdammt sein, wenn ich da jetzt nicht w...wieder hingehe! Komm mit mir, John!«
    »Geh nur allein«, meinte John freundlich. »Du siehst, ich habe Besuch.«
    Der Mann fixierte Elizabeth mit schwimmenden Augen.
    »Dann nimm den Besuch doch mit«, schlug er vor.
    »Ach nein«, sagte Elizabeth. Ihr graute vor dem lasterhaften Geschrei, das aus den Wirtshäusern drang. Der Fremde war ihr überhaupt nicht böse.
    »Gut, dann k...kommt John morgen mit«, sagte er gutmütig, »morgen kriegst du aber wieder Besuch, John. K...keinen so schönen wie heute!«
    »Die Wirtin?«
    »Ja, sie war heute bei mir. Will ihr Geld, oder sie wirft uns raus. V...verdammte Schlampe!« Leise vor sich hin summend tappte er die Treppe hinunter und verschwand auf der Straße. John machte ein finsteres Gesicht.
    »Die alte Vogelscheuche«, murmelte er, womit er zweifellos die Wirtin meinte, »seit Tagen entwische ich ihr immer nur mit letzter Not. Ich schulde ihr zwei Monatsmieten!« Er schloß die Tür zu seiner Wohnung auf, und sie betraten den dunklen Raum. Elizabeth sah zunächst gar nichts, aber dann flammte ein Licht auf. John zündete eine Kerze an, die das Zimmer in trübes Dämmerlicht tauchte. In einer Ecke lag der schwarze Hund Benny. Er sprang sofort auf und tobte um Johns und Elizabeths Beine herum.
    »Ich glaube, er kennt mich noch«, sagte Elizabeth glücklich. Sie streichelte ihn eine Weile, dann richtete sie sich auf und sah sich um. Die Wohnung schien aus diesem einen Zimmer zu bestehen, jedenfalls gab es keine weitere Tür. In der Mitte standen ein Tisch und zwei Stühle, in der hinteren Ecke gab es ein Bett, daneben lehnte ein baufälliger Schrank. Dann war da noch ein
kleiner aus Ziegelsteinen gebauter Kamin, in dem jedoch kein Feuer brannte. Es war ungemütlich kalt im Raum, und das Frösteln wurde noch verstärkt durch den Eindruck der weißgekalkten, kahlen Wände und des Bretterfußbodens, auf dem kein Teppich lag. Elizabeth fand es völlig unverständlich, wie jemand die Wärme eines Landsitzes wie Blackhill gegen eine solche Kammer eintauschen konnte. Sie trat, um ihr Erschrecken zu verbergen, rasch ans Fenster und blickte auf die schmutzige Gasse hinab. Im Licht der Hauslaterne sah sie den Nachbarn von John, der hilflos von einer Hauswand zur anderen taumelte. Der Mann tat ihr leid. Sie wandte sich wieder um und entdeckte, daß John bereits eine Schnapsflasche hervorgeholt hatte und sich einen Becher vollschenkte. Sie ging ebenfalls zum Tisch, setzte sich auf einen der Stühle und stützte den Kopf in die Hände.
    »Welch eine Nacht«, murmelte sie. »Wissen Sie, wie spät es ist?«
    »Ich nehme an, etwas nach zwei Uhr«, antwortete

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