Verbotener Kuss
aufeinander ein.
Diese Gelegenheit ergriff ich. Ich rappelte mich hoch und streckte die Hand nach Caleb aus.
Glücklicherweise verstand er. Als Eric ebenfalls auf Daniel losging, glitt er vom Bett. Ich kam gerade auf die Füße, als Mom Daniel hochriss. Er war gut dreißig Zentimeter größer als sie, aber sie schleuderte ihn durch den Raum, als hätte er kein Gewicht. Kurz erstarrte ich und konnte mich nicht rühren. Ihre Kraft war unnatürlich, war wie ein Schock für mich.
Benommen und angeekelt stolperte ich mit Caleb im Schlepptau aus dem Zimmer. Wir rannten durch das Ferienhaus und aus der Vordertür hinaus. Regen trommelte auf das Dach der Veranda und übertönte das feuchte Schmatzen und Knirschen aus dem Innern des Hauses– beinahe, aber nicht ganz. Bei dem Geräusch sprangen wir beide über das Geländer. Ich hatte vergessen, wie hoch die Veranden hier waren, prallte hart auf dem Boden auf und fiel auf die Knie.
» Lexie! «
Die Stimme meiner Mutter trieb mich hoch. Ich warf Caleb einen Seitenblick zu und sah, dass er ebenfalls aufstand. Wir rannten los, den schlammigen Hügel hinunter. Halb rutschten und halb fielen wir, Zweige schlugen mir ins Gesicht, zerrten an meiner Kleidung und meinem Haar, aber ich rannte weiter. Jetzt zahlten sich die vielen im Kraftraum verbrachten Stunden aus. Meine Muskeln setzten sich über den Schmerz und den Blutverlust hinweg.
» Alexandria! «
Wir waren nicht schnell genug. Als ich Calebs verblüfften Aufschrei hörte, fuhr ich herum. Meine Mom riss ihn von hinten hoch und schleuderte ihn zur Seite. Ein entsetzter Ausdruck blitzte auf seinem Gesicht auf und dann knallte er gegen einen dicken Ahornbaum. Ich schrie und rannte zurück zu der Stelle, wo er gestürzt war.
Eine Barriere aus Flammen schoss hoch und trieb mich zurück. Das Feuer breitete sich aus und vernichtete dabei alles, was ihm in den Weg kam. Caleb wälzte sich zur Seite und wich mit knapper Not aus. Ich stolperte zurück, als das Holz in roten und violetten Flammen aufging. Der Regen konnte das unnatürliche Feuer nicht löschen.
Und da stand sie– hochgewachsen und gerade aufgerichtet wie eine furchtbare Todesgöttin. Zweimal hatte ich es bisher nicht geschafft, dies zu erkennen. In der Gasse in Bald Head und vorhin im Haus, kurz nachdem mir klar geworden war, dass ich einen Covenantdolch in meiner Kleidung trug.
» Du hast mir doch versprochen, nicht wegzulaufen, Lexie. « Sie klang erstaunlich ruhig.
Hatte ich das versprochen? Unauffällig steckte ich die Hand in die Tasche. » Ich hab gelogen. «
» Ich habe dafür gesorgt, dass du dir keine Sorgen wegen Daniel mehr zu machen brauchst. « Sie kam langsam näher. » Jetzt wird alles gut. Du solltest dich setzen, Lexie. Du blutest ja überall. «
Ich sah an mir hinunter. Durch das Rennen war mein Blut in Wallung geraten, und ich spürte, wie es an den Armen und am Hals hinablief. Es überraschte mich irgendwie, dass ich überhaupt noch Blut in mir hatte. Aus den Augenwinkeln sah ich etwas Dunkelblaues zwischen den Flammen hindurchhuschen.
» Tu es schon, Rachelle! Sie ist schwach. « Wut und Ungeduld lagen in Erics Worten. » Lass es uns zu Ende bringen und dann nichts wie weg hier! «
Er hatte ja so recht. Mir war schwindelig und ich schwankte. Im Moment wäre ein Kaninchen mit mir fertiggeworden. » Komm bloß nicht näher! «
Meine Mutter lachte. » Bald ist es vorbei, Lexie. Ich weiß, du hast Angst, aber dafür gibt es keinen Grund. Ich kümmere mich um alles. Vertraust du mir nicht? Ich bin deine Mutter. «
Ich wich zurück, blieb aber stehen, als ich die Hitze des Feuers spürte. » Du bist nicht meine Mutter. «
Sie bewegte sich vorwärts. Irgendwo, weit entfernt, glaubte ich eine Stimme zu hören, die meinen Namen rief. Es war seine Stimme– Aiden. Doch es musste eine Halluzination sein, denn weder Eric noch meine Mutter reagierten darauf. Aber die Stimme gab mir die Kraft, aufrecht stehen zu bleiben, auch wenn sie nur ein trauriger Auswuchs meines Unterbewusstseins war. Meine Finger strichen über den schmalen Dolch. Wie hatten meine Peiniger die Waffe nur übersehen können? » Du bist nicht meine Mutter « , wiederholte ich heiser.
» Du bist verwirrt, Baby. Ich bin deine Mutter. «
Mein Daumen strich über den Auslöseknopf des Dolchs. » Du bist in Miami gestorben. «
Ihre Augen glitzerten gefährlich. » Alexandria… Es gibt keinen anderen Ausweg. «
Warte!, flüsterte eine Stimme in meinem Kopf. Warte, bis sie sich
Weitere Kostenlose Bücher