Verbotener Kuss
ich keine Antwort gab. » Ich sehe später noch einmal nach dir. «
Ich rutschte wieder nach unten, aber dann fiel mir noch etwas ein. » Aiden? «
Er blieb stehen und wandte sich um. » Ja? «
» Wie habt ihr uns eigentlich gefunden? «
Seine Miene verhärtete sich. » Das war Seth. «
Verwirrt setzte ich mich erneut auf. » Was? Wie denn das? «
Aiden schüttelte leicht den Kopf. » Ich habe keine Ahnung. Er tauchte frühmorgens auf– an dem Morgen, als du fortgegangen warst– und erklärte, etwas stimme nicht und du seist in Gefahr. Ich sah in deinem Zimmer nach und entdeckte, dass du verschwunden warst. Sobald wir im Auto saßen, wusste Seth, wo wir dich fänden. Irgendwie spürte er, wo du warst. Ich weiß nicht, wie er das angestellt hat, aber so war es. Wir fanden dich allein durch Seths Hilfe. «
Zwei Tage später kehrte ich, vollgepumpt mit Blutkonserven und Infusionen, an den Covenant zurück. Kaum war ich dort, brachte man mich schon auf die Krankenstation, um mich noch einmal zu untersuchen. Aiden saß neben mir, als der Arzt die weiße Gaze löste, mit der jedes freie Stück Haut an meinem Körper verbunden war.
Unnötig zu erwähnen, dass ich total zerfetzt aussah. Jeder Arm war mit mehreren halbmondförmigen Bissspuren markiert. Sie sahen immer noch ziemlich rot aus, und während der Arzt eine Kräutermischung zusammenstellte, die die Narbenbildung verringern sollte, stöberte ich in den Vitrinen herum.
» Was suchst du? « , fragte Aiden.
» Einen Spiegel. «
Er wusste Bescheid. So ärgerlich das auch war, manchmal schienen wir uns ein Gehirn zu teilen. » So schlimm ist es nicht, Alex. «
Über die Schulter warf ich ihm einen Blick zu. » Ich will es sehen. «
Wieder versuchte Aiden, mich zum Hinsetzen zu bewegen, aber ich weigerte mich, bis er aufstand und einen kleinen Plastikspiegel holte. Wortlos reichte er ihn mir.
» Danke. « Ich hob den Spiegel und ließ ihn fast wieder fallen.
Das dunkle Violett rings um mein rechtes Auge, das sich in Richtung Haaransatz fortsetzte, sah gar nicht so schlimm aus. Es würde innerhalb von wenigen Tagen verblassen. Ein blaues Auge war keine große Sache. Ich schmeichelte mir sogar, dass ich damit irgendwie cool wirkte. Aber die Bisse rechts und links an meinem Hals waren grauenhaft. Einige davon schienen sehr tief zu sein, fast so, als seien Hautstücke herausgerissen und wieder zusammengeklebt worden, und das dunkelrote Fleisch hatte eine unebene Oberfläche. Die Rötung würde abklingen, aber die tiefen Narben würden bleiben und mich sichtbar entstellen.
Meine Finger verkrampften sich um den Plastikgriff. » Es… ich sehe furchtbar aus. «
Sofort stand er neben mir. » Nein. Die Narben werden verblassen, und ehe du dich versiehst, fallen sie niemandem mehr auf. «
Ich schüttelte den Kopf. Die Daimonenmale konnte ich nicht verstecken– jedenfalls nicht alle.
» Außerdem « , sagte er in demselben sanften Tonfall, » sind das Narben, auf die du stolz sein kannst. Überleg doch, welche Schrecken du überlebt hast. Diese Narben werden dich stärker und schlussendlich noch schöner machen. «
» Das hast du schon einmal gesagt… über das erste Bissmal. «
» Und es gilt immer noch, Alex. Versprochen. «
Vorsichtig legte ich den Spiegel auf die Arbeitsplatte, und dann… brach ich zusammen.
Es lag nicht an den Narben oder an Aidens Worten. Eher waren es die Erinnerungen an Mom. Wie ich sie in Miami verloren hatte. Alle diese furchtbaren Taten, die sie begangen oder zugelassen hatte. Und meine eigene Tat: Ich hatte sie getötet. Mit gewaltigen Schluchzern brach alles aus mir heraus, Schluchzer, die ich nicht wegatmen oder mit dem Verstand beherrschen konnte. Ich wollte mich zusammenreißen, aber ich scheiterte.
Und so saß ich mitten im Sprechzimmer und heulte. Ich sehnte mich nach meiner Mom, aber sie würde nie mehr kommen und mich trösten. Sie war fort, diesmal war sie wirklich nicht mehr am Leben. In meinem Innern öffnete sich ein gähnendes Loch, und der Kummer strömte einfach heraus, ohne Unterlass, in einem fort.
Aiden kniete neben mir nieder und legte mir die Arme um die Schultern. Er sagte kein einziges Wort, sondern ließ mich einfach weinen. Nach den Monaten, als ich gezwungen war, mich jeden Tag zu behaupten, hatte sich ein gewaltiger Damm um meinen Schmerz und Kummer aufgebaut. Und dieser Damm brach nun endlich.
Ich wusste nicht genau, wie viel Zeit verging, bis ich mich ausgeweint hatte. Mein Kopf schmerzte, mein
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