Verbotener Kuss
sofort.
Lucian trug weiße Gewänder und hatte sich kein bisschen verändert, seit ich ihn zuletzt gesehen hatte. Sein tiefschwarzes Haar hing immer noch lächerlich lang herunter und sein Gesicht war ausdruckslos wie das eines Daimons. Er war– wie alle Reinblüter– unbestreitbar ein gut aussehender Mann, aber er hatte etwas Abstoßendes an sich, das bei mir einen schlechten Nachgeschmack hinterließ.
Seine arrogante Ausstrahlung umhüllte ihn wie eine zweite Haut. Als er auf Marcus zuging, verzog er die Lippen zu einem gezwungenen Lächeln. Die beiden tauschten ihre Begrüßungen aus. Marcus verneigte sich sogar leicht. Den Göttern sei Dank wurde von uns solch ein Unsinn nicht erwartet. Wenn ja, dann hätte mir jemand einen Dropkick versetzen müssen, um mich in die Knie zu zwingen.
Lucian war Minister, aber er war kein Gott. Er war nicht einmal von Adel, sondern einfach nur ein Reinblut mit großer Machtfülle. Ach, und nicht zu vergessen– von großer Selbstgefälligkeit. Ich würde nie verstehen, was Mom überhaupt in ihm gesehen hatte.
Geld, Macht und Prestige?
Ich seufzte. Niemand war vollkommen– nicht einmal sie war fehlerlos gewesen.
Weitere Gardisten folgten Lucian und der Frau. Mir war inzwischen klar geworden, dass sie der andere Minister war. Alle Gardisten sahen genauso aus wie die der ersten Gruppe, nur einer nicht. Er war anders, ganz anders als jedes anwesende Halbblut.
In dem Moment, als er das Gebäude betrat, schien die Luft aus dem Raum gesaugt zu werden.
Er war groß, vielleicht sogar so groß wie Aiden, obwohl ich das nicht genau erkennen konnte. Sein blondes Haar war zu einem kurzen Pferdeschwanz zurückfrisiert und betonte die unglaublich edlen Züge und die goldfarbene Haut. Wie die Wächter war er ganz in Schwarz gekleidet. Unter anderen Umständen– falls mir nicht klar gewesen wäre, wer er war– hätte ich ihn als verdammt heiß bezeichnet.
» Ach du Heiliger… « , murmelte Luke.
Eine schwache elektrische Spannung erfüllte den Raum und lief mir zunächst über die Haut und dann durch den ganzen Körper. Ich erschauerte, trat einen Schritt zurück und stieß gegen Caleb.
» Der Apollyon « , sagte jemand hinter mir. Vielleicht Lea? Ich hatte keine Ahnung.
Ach du Heiliger, allerdings.
Der Apollyon schritt hinter Lucian und Marcus her, aber in sicherem Abstand, wohl um ihnen nicht zu nahe zu kommen, aber auf jede Bedrohung reagieren zu können. Alle starrten ihn an. Seine bloße Anwesenheit ließ keinen unberührt.
Unbewusst trat ich einen weiteren Schritt zurück, als die kleine Gruppe sich auf uns zu bewegte. Keine Ahnung, was in mich gefahren war, aber plötzlich wäre ich am liebsten so weit weg wie möglich gewesen… und dabei war es wichtiger als alles andere auf der Welt, dass ich genau hier stand. Nun ja… vielleicht nicht wichtiger als alles andere, aber doch nahezu.
Ich wollte ihn nicht ansehen, konnte die Augen aber nicht abwenden. Als unsere Blicke sich trafen, krampfte sich mein Magen kurz zusammen. Seine Augen hatten die eigenartigste Farbe, die ich je gesehen hatte, und während er näher kam, wurde mir klar, dass ich mir das nicht einbildete. Sie waren bernsteinfarben und beinahe irisierend.
Während er mich weiter eindringlich musterte, passierte etwas. Es fing mit einer blassen Linie an, die an seinen Armen entlanglief, dunkler wurde und tintenschwarz seine Finger erreichte. Dann, ganz plötzlich, breitete sich die schmale Linie über seine goldgetönte Haut aus und verzweigte sich zu einer Vielzahl wirbelnder Muster. Die Tätowierung veränderte Lage und Aussehen, drang unter sein Hemd und wuchs an seinem Hals entlang, bis die ineinander verschlungenen Zeichnungen die rechte Seite seines Gesichts bedeckten. Die Markierungen hatten eine Bedeutung, die mir aber nicht bekannt war. Als er an mir vorbeiging, stieß ich unwillkürlich keuchend den Atem aus.
» Alles in Ordnung? « Caleb blickte fragend zu mir herunter.
» Ja. « Mit zitternden Händen strich ich mir das Haar zurück. » Er war… «
» Verdammt scharf. « Elena, deren Augen vor Aufregung blitzten, wandte sich zu mir um. » Wer hätte gedacht, dass der Apollyon so unglaublich gut aussieht? «
Ich zog die Augenbrauen zusammen. » Aber diese Male… «
Elena warf Caleb einen finsteren Blick zu. » Welche Male? Und was soll’s, wenn ich sage, dass er scharf aussieht? Er wäre bestimmt nicht beleidigt. «
» Was meinst du? « Ich drängte mich an Caleb vorbei. » Du hast diese…
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