Verbotener Kuss
mich von meiner Verbitterung leiten lassen. Aber jetzt kommt mir das alles so oberflächlich vor. « Er wandte sich zur Seite, um mich anzusehen. » Wäre ich dir eine bessere Vaterfigur gewesen, hättest du dich vielleicht an mich um Hilfe gewandt, als deine Mutter dich fortholte. «
Ich fuhr mir mit einer Hand über die Wange und hatte das Gefühl, plötzlich in eine andere Welt geraten zu sein– in eine Welt, in der Lucian kein Fiesling war und ich immer noch jemanden hatte, der theoretisch mit mir verwandt war und sich tatsächlich etwas aus mir machte.
» Aber das ist vergangen, mein Liebes. Ich bin gekommen, um dich nach Hause zu holen. « Lucian warf mir ein schmallippiges Lächeln zu. » Ich habe bereits mit Marcus gesprochen, und wir sind uns einig, dass dies in Anbetracht der Umstände das Beste wäre. «
Ich erwachte aus meiner Betäubung. » Wartet mal! Ich hole auf, nicht wahr? « Auf meinem Stuhl fuhr ich herum. » Aiden, ich hole doch auf, stimmt’s? Im Herbst bin ich so weit. «
» Ja. « An mir vorbei sah Aiden zu Marcus hinüber. » Um ehrlich zu sein– schneller, als ich es für möglich gehalten hätte. «
Überglücklich darüber, dass er mir nicht in den Rücken fiel, wandte ich mich wieder an meinen Onkel. » Ich schaffe es. Ich muss Wächterin werden. Das ist alles, was ich mir wünsche. « Vor Verzweiflung klang meine Stimme ganz kratzig. » Ich kann nichts anderes. «
Zum ersten Mal, seit ich Marcus kannte, wirkte er tatsächlich gequält, als müsse er gleich etwas sagen, was er nicht sagen wollte. » Es geht nicht um das Training, Alexandria. Ich bin mir über deine Fortschritte im Klaren. «
» Worum geht es dann? « Es machte mir nichts aus, dass andere meine Panik mitbekamen. Die Wände schienen auf mich zuzurücken. Warum, wusste ich nicht einmal.
» Man wird sich um dich kümmern. « Lucian bemühte sich um eine beruhigende Miene. » Du kannst nicht mehr Wächterin werden, Alexandria. Nicht angesichts eines so grauenhaften Interessenkonflikts. «
» Was? « Ich sah zwischen meinem Onkel und meinem Stiefvater hin und her. » Es gibt keinen Interessenkonflikt. Ich habe mehr als jeder andere gute Gründe, Wächterin zu werden! «
Lucian runzelte die Stirn. » Mehr als jeder andere hast du gute Gründe, keine Wächterin zu werden. «
» Minister… « Aiden trat vor und blickte Lucian unverwandt in die Augen.
» Gewiss, Sie haben hart mit ihr gearbeitet, und ich weiß das zu schätzen, Saint Delphi. Aber ich kann es nicht zulassen. « Lucian hob eine Hand. » Was wird Ihrer Meinung zufolge nach ihrem Abschluss geschehen? Sobald sie die Insel verlässt? «
» Ähem… ich jage Daimonen und töte sie. «
Lucian wandte sich an mich. » Daimonen jagen und töten? « Sein Gesicht wurde noch blasser als gewöhnlich– und das sollte etwas heißen–, als er Marcus ansprach. » Sie weiß es nicht, wie? «
Für einen Moment schloss Marcus die Augen. » Nein. Wir dachten… es sei so am besten. «
Ein unbehagliches Gefühl kroch mir über den Rücken. » Was soll ich nicht wissen? «
» Unverantwortlich! « , fauchte Lucian. Er senkte den Kopf und rieb sich den Nasenrücken.
Ich schoss hoch. » Was soll ich nicht wissen? «
Marcus blickte auf. Aus seinem angespannten Gesicht war alle Farbe gewichen. » Es fällt mir schwer, es dir zu sagen. Deine Mutter ist nicht tot. «
11. Kapitel
I ch hörte nichts als diese Worte.
Marcus stand auf und trat vorsichtig um seinen Schreibtisch herum. Vor mir blieb er stehen. Er zeigte wieder diese schmerzliche Miene, aber diesmal mischte sich auch Mitgefühl hinein.
Der Raum war vom Ticken der Wanduhr und von dem sanften Brummen der Aquarienfilter erfüllt. Niemand sagte etwas, aber alle Blicke richteten sich auf mich. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich da stand und Marcus anstarrte, während ich mir zusammenzureimen versuchte, was er gesagt hatte. Erst einmal ergab alles keinen Sinn. Hoffnung und Unglaube stießen zusammen, und dann, als ich den mitfühlenden Ausdruck begriff, der über sein Gesicht gehuscht war, kam mir die grauenhafte Erkenntnis. Sie lebte noch, aber…
» Nein… « Ich trat von dem Stuhl weg, um eine Distanz zwischen seinen Worten und mir zu schaffen. » Du lügst. Ich habe sie gesehen. Der Daimon hat sie ausgesaugt, und ich habe sie berührt. Sie war so… so kalt. «
» Es tut mir leid, Alexandria, aber… «
» Nein! Das ist unmöglich. Sie war tot! «
Plötzlich stand Aiden neben mir und legte mir eine
Weitere Kostenlose Bücher