Verbotener Kuss
«
Seth fiel mir ins Wort. » Sie ist ein Daimon. Sie tötet– tötet unschuldige Menschen, Alex. Das ist nun einmal die Art der Daimonen. Dahinter steckt keine Logik. Sie tut es, aber es ist nicht deine Schuld. «
Ich hätte ihn wirklich am liebsten getreten oder niedergeboxt, aber weder das eine noch das andere wäre klug gewesen. Schließlich besaß ich Selbstkontrolle und Intelligenz. Ich trat von ihm weg, aber das ließ er nicht zu. Er streckte die Hand aus, die sich um meinen Unterarm schloss. Haut traf auf Haut.
Die Welt explodierte.
Ein Stromstoß schoss mir durch den Körper. Es war das Gefühl, das ich in seiner Nähe bekam, aber hundertmal stärker. Ich konnte nicht sprechen, und je länger Seth mich festhielt, umso mächtiger wurde dieser Rausch. Was ich fühlte, war verrückt. Wahnsinn war auch, was ich sah. Intensives, grelles blaues Licht schlang sich um seine Hand. Es verdrehte sich wie ein Seil, knisterte und schlang sich um meinen Arm, um meine Hand. Instinktiv wusste ich, dass es uns verband– uns aneinanderfesselte.
Für immer.
» Nein. Nein, das ist nicht möglich! « Seths Körper war erstarrt.
Er sollte endlich meinen Arm loslassen, denn seine Finger gruben sich in meine Haut! Und noch etwas… etwas anderes passierte. Ich fühlte, wie es sich in mir bewegte, sich durch mein Inneres wand und schlang, und ich wusste, dass es uns mit jeder Windung zusammenschweißte.
Gefühle und Gedanken, die nicht meine eigenen waren, schlugen über mir zusammen. Sie näherten sich in einem gleißenden Lichtstrahl, gefolgt von leuchtenden Farben, die wirbelnd ihre Form veränderten, bis ich sie verstand und einiges davon begriff.
Das ist nicht möglich, dachte ich.
Das wird uns beide umbringen.
Keuchend rang ich nach Luft. Seths Gedanken schlangen sich um meine, und seine Gefühle überschlugen sich und brausten durch uns beide hindurch. Und dann war alles jäh zu Ende, als in meinem Kopf eine Tür zuknallte. Die Farben wichen zurück, und schließlich verblasste die blaue Schnur zu einem bleichen Schein und verschwand.
» Uh… deine Tattoos sind wieder da. «
Blinzelnd starrte Seth auf seine Hand hinunter, die immer noch meinen Arm umklammerte. » Das… kann unmöglich sein. «
» Wasist passiert? Wenn du’s weißt, erklär’s mir. «
Er blickte auf, und seine Augen glühten in der Dunkelheit. Seine verwirrte Miene wich einem zornigen Ausdruck. » Wir werden sterben. «
Diese Antwort wollte ich nicht hören. » Ich werde… was? «
Was immer er hatte wissen wollen, wurde ihm in diesem Augenblick klar. Er presste die Lippen aufeinander, setzte sich in Bewegung und zerrte mich hinter sich her.
» Warte! Was hast du vor? «
» Sie haben es gewusst! Sie haben es die ganze Zeit gewusst. Jetzt verstehe ich auch, warum Lucian mich zum Rat befohlen hat, nachdem man dich gefunden hatte. «
Meine Füße glitten im Sand aus und stolpernd versuchte ich mit ihm Schritt zu halten. Dabei verlor ich eine Sandale und kurz darauf die zweite. Verdammt, ich hatte die Sandalen gern gemocht. » Seth! Geh langsamer und erklär mir, was los ist! «
Über die Schulter warf er mir einen gefährlich funkelnden Blick zu. » Dein aufgeblasener Stiefvater wird uns erklären, was los ist.
Ich gab es nicht gern zu, aber ich hatte Angst, richtige verdammte Angst. Apollyons werden manchmal unberechenbar und gefährlich. Kein Scherz. Seth ging noch schneller und zog mich hinter sich her. Ich rutschte aus. Mein Knie geriet in den Saum meines Baumwollkleids und zerriss es. Vor Ungeduld stöhnend zerrte er mich hoch und rannte weiter.
Während er mich weiter quer über die Insel schleppte, zuckte ein Blitz über den Himmel. Er schlug in ein Boot ein, das wenige Meter weiter am Ankerplatz lag. Das Licht blendete mich, aber Seth nahm den Schaden, den sein Zorn angerichtet hatte, anscheinend gar nicht wahr.
» Stehen bleiben! « Ich grub die Füße in den Sand. » Das Boot brennt! Wir müssen Hilfe holen! «
Seth fuhr herum. Seine Augen glühten, und er riss mich an sich. » Das braucht uns nicht zu kümmern. «
Ich atmete schwer. » Seth… du machst mir Angst. «
Seine Miene war immer noch hart und erbittert, aber sein Griff um meinen Arm lockerte sich ein wenig. » Nicht vor mir solltest du Angst haben. Komm weiter! «
Er zog mich an dem brennenden Boot vorbei und den stillen Strand hinauf.
Als sich Lucians Haus vor uns erhob, sprang Seth, immer zwei Stufen auf einmal, die breiten Stufen zur Veranda hinauf.
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