Verbrannte Träume.
Zeitungsmeldung zu zeigen. Es waren nur fünf oder sechs Zeilen über den Unfall. Ein Name war nicht genannt, es hieß nur, ein junger Mann aus Biesfeld. Und da stand auch, deutlich für jeden zu lesen, aus bisher ungeklärter Ursache, und, tödlich verunglückt. Frau Ruland wollte wissen, ob es sich bei dem jungen Fahrer um Ulli handelte. Sie hatte gehört, daß in der Nacht zum Samstag die Polizei bei mir gewesen war. Sie bekam alles mit, was im und ums Haus herum vorging. Die paar Zeilen in der Zeitung bestätigten ihre schlimmsten Befürchtungen, sagte sie. Sie habe mich am Samstag schon fragen, aber nicht aufdringlich sein wollen. Sie sei sich auch nicht sicher gewesen, ob ich daheim wäre, als ich ihr die Tür nicht geöffnet habe. Ich hatte keine Ruhe für eine längere Unterhaltung und nickte zu allem. Sonst blieb ich meist eine halbe Stunde, wenn sie mich hereinrief. Aber an dem Abend war mir danach, auf dem Balkon zu stehen, die Straße zu beobachten und nach dunkelgrünen Limousinen Ausschau zu halten. Ich verabschiedete mich nach ein paar Minuten mit der Erklärung, daß ich noch eine Menge zu tun hätte. Dann ging ich nach oben. Die Wohnungstür war ordnungsgemäß verschlossen. Ich mußte den Schlüssel zweimal umdrehen. Ich hatte ihn auch morgens, als ich die Wohnung verließ, zweimal umgedreht. Mein Mantel war naß, ich brachte ihn nicht in die Abstellkammer, legte ihn über einen Stuhl in der Diele. Meine Handtasche legte ich auf den Tisch, schaute dabei zwangsläufig ins Wohnzimmer. Es war in Ordnung, alles an seinem Platz, nicht der kleinste Hinweis auf etwas Ungewöhnliches. Ich ging in die Küche, machte mir ein belegtes Brot und Kaffee. Damit setzte ich mich ins Wohnzimmer. Doch bevor ich mich hinsetzte, ging ich rasch auf den Balkon. Es war weit und breit nichts Auffälliges zu sehen, keine Spur von dem dunkelgrünen Auto. Das beruhigte mich. Während ich aß, fiel mir auf, daß die Anzeige am Anrufbeantworter blinkte. Das Zählwerk hatte einen Anruf registriert. Ich dachte an Rene Link. Aber es war nur Ullis Tante. Sie hatte am frühen Nachmittag angerufen und sich gewundert, daß ich nicht daheim war. Hoffte, daß es mir gutginge, und bat um einen Rückruf. Das wollte ich sofort erledigen. Aber irgend etwas stimmte nicht mit dem Telefon. Als ich den Hörer abnahm, kam kein Freizeichen. Ich drückte ein paarmal auf die Gabel, dann funktionierte es endlich. Ullis Tante war nach dem dritten Ton am Apparat. Es war nur ein kurzes Gespräch. Ich konnte mich nicht konzentrieren, dachte wieder an das grüne Auto, die drei Männer und an Rene Link. Kaum hatte ich den Hörer aufgelegt, klingelte das Telefon. Das ist er, dachte ich, riß den Hörer hoch. Nichts! Absolute Stille. Ich war sicher, daß es Rene Link war, ich wußte sonst keinen und verstand nicht, daß er sich nicht meldete. Ich sprach ihn an.
»Herr Link? Melden Sie sich doch. Was soll das denn? Warum reden Sie nicht mit mir?«
Als keine Reaktion kam, legte ich auf. Und kaum hatte ich aufgelegt, klingelte das Telefon wieder. Noch einmal dasselbe Spielchen. Absolute Stille in der Leitung. Er mußte die Muschel abgedeckt haben, sonst hätte ich etwas hören müssen. Man hört immer etwas, auch wenn keiner spricht. Ich versuchte es noch einmal mit Reden. Er ließ sich auf nichts ein. Also legte ich wieder auf. Und kaum hatte ich aufgelegt, klingelte es wieder. Da kam mir der Verdacht, daß es nicht Rene Link, sondern einer aus dem grünen Auto oder der Mann aus der S-Bahn war. Also sagte ich etwas anderes.
»Hallo, Sie, wer sind Sie? Was soll der Quatsch? Was wollen Sie von mir?«
Keine Reaktion! Ich legte auf. Und kaum hatte ich aufgelegt … Lutz Assenmacher, dachte ich. Er ist auch in den Spezialkliniken nicht fündig geworden. Jetzt fragt er sich, warum ich ihn belogen habe und versucht, mich fertig zu machen.
»Lassen Sie den Unsinn, Herr Assenmacher«, sagte ich und legte wieder auf. Und kaum hatte ich aufgelegt … Es ging tüchtig an die Nerven, aber es machte auch wütend. Blödmann, dachte ich und ließ es klingeln. Nach dem zweiten Klingeln schaltete sich der Anrufbeantworter ein. Ich hörte Ullis Stimme:
»Guten Tag, Sie sind mit dem Anschluß von Ulrich Meuser verbunden. Leider kann ich Ihren Anruf nicht persönlich entgegennehmen. Wenn Sie mir jedoch eine Nachricht hinterlassen, rufe ich Sie sobald als möglich zurück. Das Band wird regelmäßig abgehört.«
Ich wartete. Ich dachte, sag was, du Idiot. Es kam kein Wort.
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