Verbrannte Träume.
Ich dachte, dann eben nicht. Und wartete darauf, daß der Anrufbeantworter abschaltete. Nach acht Sekunden Schweigen tat er das automatisch. Diesmal nicht! Die Anzeige blinkte unentwegt, ab und zu kam ein leiser Piepston, ich hörte ihn nur, weil ich direkt neben dem Gerät saß und angestrengt horchte. Vielleicht hatte ich das Ding kaputtgemacht mit meiner Fummelei am Freitag abend. Aber der Anruf von Ullis Tante war ordentlich aufgezeichnet worden. Ich saß da und wußte nicht, was ich tun sollte. Noch mal den Hörer abnehmen? Lieber nicht! Wer immer es war, er sollte sich nicht einbilden, er könnte mich schikanieren. Warten, bis das Blinken aufhörte und dann die Polizei rufen? Und was sollte ich sagen? Je länger ich nachdachte, um so mehr kam ich zu der Überzeugung, daß es Lutz Assenmacher sein mußte, der mit meinem Anrufbeantworter herumspielte. Ich rechnete damit, daß er im Laufe des Abends noch persönlich in Erscheinung treten und vorher den Boden ein bißchen vorbereiten wollte mit Telefonterror. Und wenn er dann vor der Tür stand, mit seinem harmlosen Lächeln, der sanften Stimme und den Jackentaschen voller Fragen … Ich wollte ihn nicht hereinlassen. Diesmal nicht!
»Denk daran«, hatte Marcia gesagt,«da bist du allein mit ihm.«
Ich saß auf der Couch wie festgewachsen, im Kopf ein wüstes Durcheinander. Marcias Stimme, Ullis Stimme und die des Polizisten. Irgendwann fiel mir auf, daß die Leuchtanzeige aufgehört hatte zu blinken. Ich nahm probehalber den Hörer ab. Das Telefon funktionierte, wie ein kurzer Anruf bei meinen Eltern zeigte. Ich stand auf, holte mir das Mäppchen mit den Schraubendrehern aus dem Abstellraum, ging in Ullis Zimmer, löste die Schrauben und schob die Schreibtischplatte nach links. Ich wollte die Geschäftsunterlagen aus dem rechten oberen Schubfach nehmen. Tat das auch, obwohl ich mir sagte, daß krumme Geschäfte nirgendwo schriftlich festgehalten oder ordentlich abgeheftet würden. Daß das, was ich aus dem Schubfach nahm, harmlos sein müßte und mir keinen Aufschluß geben könnte. Es war ein dicker Ordner. Er nahm fast das ganze Schubfach ein. Nachdem ich ihn herausgenommen und auf die Platte gelegt hatte, war das Schubfach leer. Und ich hatte das Gefühl, daß etwas nicht in Ordnung war. Ich wußte nur nicht auf Anhieb, was mich störte, setzte mich hin und begann zu blättern. Als ich die Summen auf den Bestellscheinen sah, fiel es mir ein. Das Heft mit den Auszügen vom Geschäftskonto. Es hatte montags an der Seite im Schubfach gesteckt, neben dem Ordner. Jetzt war es nicht da. Dabei war ich sicher, daß ich es zurückgesteckt hatte, ziemlich sicher, nicht hundertprozentig. Vielleicht hatte ich es in das linke Schubfach gelegt. Ich schob die Platte zur anderen Seite hinüber. Da war das Heft auch nicht. Und das zweite mit den Auszügen vom Privatkonto fehlte ebenfalls. Das war noch nicht alles. Ich vermißte auch die Mappe mit den Unterlagen über Ullis Krankenversicherung. Mir wurde warm. Minutenlang saß ich da und hatte ein Ledermäppchen vor Augen, an dem ein Ring mit Schlüsseln befestigt war. Ullis Schlüsselbund! Ich hatte Blei in den Händen, konnte kaum die Finger bewegen. Ich zog an den oberen Schubfächern. Sie waren verschlossen. Natürlich waren sie verschlossen. Es klaute doch kein vernünftiger Mensch die Unterlagen über eine Krankenversicherung und ein Heft mit Kontoauszügen. Das war hirnrissig. Als ich mich endlich dazu aufraffte und die unteren Schubfächer aufzog, was lag mir da vor der Nase? Die Mappe mit der Zahnarztrechnung und das schmale, blaue Heft mit den Auszügen vom Geschäftskonto. Ich mußte die Sachen montags ins falsche Schubfach gelegt haben. Hatten mich der nette Lutz Assenmacher und die Barcardi-Werbung wohl ein bißchen verwirrt. Das kommt davon, dachte ich noch und kam mir blöd vor. Ich kam mir noch blöder vor, als ich die Sachen im Schubfach hin und her schob und das zweite schmale Heft mit den Auszügen vom Privatkonto nicht fand. Im ersten Augenblick dachte ich, Lutz Assenmacher! Dieser verdammte Hund, er hat es eingesteckt. Dann sah ich es im linken oberen Schubfach. Es war nach hinten gerutscht und unter ein paar Schnellheftern verschwunden. Ich zog es heraus, fing an zu lachen. Es war die Erleichterung. So ist das, wenn man Gespenster sieht, und plötzlich sind sie nicht mehr da. Dann lacht man eben. Und dann schaut man sich um, freut sich, daß es keine Gespenster gibt. Und dann sieht man den Papierkorb
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