Verbrechen im Mädchenpensionat
Schock.«
»Miss Tomlinson hat es mir
erklärt«, sagte ich. »Sie seien in Pierce verliebt, erzählte sie mir.«
»Wenn sie damit meint, daß ich
ihn liebe, dann stimmt es«, sagte sie. »Und der Gedanke, daß Edward jemanden
umbringen könnte — von diesen beiden jungen Mädchen ganz zu schweigen — , ist
einfach lächerlich.«
»Die Beweise sind nicht
lächerlich«, sagte ich.
»Ich glaube es nicht«, sagte
sie einfach. »Sehen Sie, Lieutenant, ich kenne Edward — Sie nicht. Wenn es
Beweise gegen ihn gibt, sind sie falsch — oder Sie haben sie falsch ausgelegt.«
»Weshalb sind Sie da so
sicher?«
»Ich habe es Ihnen schon gesagt
— ich kenne ihn.«
»Diese Sorte Beweise werden vor
Gericht nicht anerkannt werden.«
Sie stand auf. »Es hat meiner
Ansicht nach keinen Sinn, diese Angelegenheit weiter zu erörtern«, sagte sie
kalt. »Und da Ihr Auftrag in meiner Schule offensichtlich erledigt ist, wäre ich
Ihnen sehr verpflichtet, wenn Sie so bald wie irgend möglich das Haus verlassen
würden, Lieutenant!«
»Ich habe nach wie vor einige
Ermittlungen anzustellen«, sagte ich. »Das wird noch eine Weile dauern.«
»Dann darf ich Sie zumindest
bitten, mein Büro zu verlassen!«
»Selbstverständlich«, sagte
ich.
Ich öffnete die Tür und blickte
zu ihr zurück. »Wenn Sie Pierce für unschuldig halten, auf wen würden Sie dann
tippen?«
»Dufay«, sagte sie, ohne zu
zögern, »Dieser Mann ist ein Ungeheuer! Wie er die arme alberne Tomlinson dazu
verleiten konnte, zu glauben, er liebe sie und beabsichtige, sie zu heiraten,
verstehe ich nicht. Das einzige, was mich davon abhält, ihr das zu sagen, ist
nur, daß sie es mir doch nicht glauben würde!«
»Wenn es so schlimm ist, warum
haben Sie ihn noch nicht hinausgeworfen?«
Sie blickte mich, wie mir
schien, lange Zeit an und wandte dann die Augen ab.
»Das ist eine berechtigte
Frage, Lieutenant. Sie machen vielleicht doch besser die Tür wieder zu und
kommen zurück. Ich werde Ihnen zeigen, warum.«
ACHTES KAPITEL
S ie öffnete die unterste
Schublade ihres Sehreibtischs mit einem Schlüssel und nahm einen Schnellhefter
heraus. Ihr Gesicht war starr, als sie sich aufrichtete und ihn mir gab.
»Ich glaube, Sie werden die
Antwort hier finden, Lieutenant«, sagte sie. »Ich werde noch einen Whisky
trinken — ich brauche ihn. Darf ich Ihnen auch ein Glas einschenken?«
»Das ist das Freundlichste, was
mir seit Stunden gesagt worden ist«, erklärte ich.
Ich legte den Schnellhefter auf
den Schreibtisch und schlug ihn auf, während ich im Hintergrund das einladende
Geräusch einer gegen ein Glas klirrenden Flasche hörte.
Der Schnellhefter enthielt ein
paar Zeitungsausschnitte. Der erste trug eine große Überschrift:
Junge Betrügerin
bekommt zwei Jahre
und
darunter ein Bild Miss Bannisters. Einer sehr jungen Miss Bannister. Der
Zeitungsausschnitt war vier Jahre alt und stammte aus einer Zeitung aus
Baltimore.
In dem Artikel stand, wie das
Mädchen — Edwina Bannister — tausend Dollar von einem prominenten Geschäftsmann
erschwindelt hatte. Sie hatte ihm die Hälfte einer erfundenen Ölquelle als
Anteil verkauft, indem sie falsche Besitzurkunden und Berichte vorgelegt hatte,
in denen stand, daß besagte Quelle überaus ölhaltig sei und nur einigen Kapitals für Ausrüstungen bedürfe, um dem Besitzer ein
Vermögen einzubringen.
Glücklicherweise, so war in der
Zeitung vermerkt, hatte der Rechtsanwalt des Geschäftsmannes von dem Projekt
gehört, war mißtrauisch geworden, hatte Nachforschungen angestellt und
anschließend die Polizei benachrichtigt.
Die Story an sich war nicht
ungewöhnlich. Was ihr einen Platz auf der ersten Seite verschafft hatte, war
die Tatsache, daß Edwina Bannister die enterbte Tochter und das einzige Kind
eines Millionärs aus Connecticut war. Sie war im Alter von neunzehn Jahren nach
einem Zwist mit ihrem Vater, dessen Gründe unbekannt waren, aus dem Haus
geworfen worden, und der Vater hatte öffentlich bekanntgegeben, daß er sie
niemals wiedersehen wolle und sie keinen Penny seines Vermögens erben solle.
Ich las den Zeitungsausschnitt
und die anderen, die dasselbe Thema, die verschiedenen Stadien der Affäre, die
Festnahme, das Urteil und so weiter behandelten. Dann blickte ich auf und sah
Miss Bannister neben mir stehen, die mir ein Glas hinhielt.
»Danke«, sagte ich mechanisch
und nahm es.
»Mein Vater änderte im letzten
Augenblick seinen Entschluß«, sagte sie mit tonloser Stimme. »Er
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