Verbrechen im Mädchenpensionat
geschenkt.«
»Warum?«
»Eben ein Geschenk, nichts
sonst. Sie stammte aus Nevada, wie Sie wissen — lebte auf einer Ranch — . Ich
dachte, er würde ihr Spaß machen.«
»Und hat er ihr Spaß gemacht?«
»Ich denke schon.«
»Haben Sie gehofft, sie würde
sich damit vielleicht in den Kopf schießen?«
Er fuhr zusammen und versuchte
dann zu lächeln. »Damit?«
»Haben Sie nicht nachgesehen,
ob er geladen war?«
»Geladen!« Sein Lachen klang
echt. »Wirklich, Lieutenant, dieser Revolver ist seit urdenklichen Zeiten nicht...« Er hörte plötzlich auf zu lachen und zog den Hahn zurück. Sein
Gesicht wurde blaß. »Aber das ist nicht möglich! Diese Patrone kann nicht die
ganze Zeit über darin gesteckt haben!«
»Seit einem Jahrhundert, meinen
Sie? Da pflichte ich Ihnen bei. Aber es ist einfach genug, jederzeit in das
nette Waffengeschäft gleich um die Ecke zu gehen und eine Patrone zu bekommen,
die in dieses Spielzeug hier hineinpaßt , wie Sie
selbst wissen. Dazu brauchen Sie nicht einmal ein Experte zu sein, aber es ist
immerhin nützlich.«
»Aber Sie glauben doch nicht
eine Sekunde lang, daß ich...? Warum um alles auf der Welt sollte ich das getan
haben?«
»Vielleicht wollten Sie, daß
ihr ein Unfall zustoßen sollte«, sagte ich. »Ein gelegen kommender Unfall — wenn
sie in den Lauf geblickt und dabei abgedrückt hätte, das wäre ein gelegen
kommender Unfall gewesen. Es ist die Sorte warnendes Beispiel, wie die
Zeitungen es schätzen: >Trau nie einer Schußwaffe ,
ganz gleich, wie alt sie auch sein mag.<«
Pierce blickte mich an und
blinzelte. »So etwas Verrücktes! Wieso sollte ich Jean umbringen wollen?«
»Das weiß ich noch nicht«,
sagte ich. »Aber ich werde es herausfinden. Es kann eine Menge einleuchtender
Gründe geben. Sie flirteten mit ihr herum — und mit der kleinen Ritter auch.
Das haben Sie selber zugegeben. Vielleicht waren die Dinge weiter gediehen, als
Sie beabsichtigt hatten — vielleicht nahm sie Sie ernst. Vielleicht drohte sie,
mit Miss Bannister oder ihrem Vater zu reden. Das hätte Ihre Karriere ruiniert,
nicht wahr? Vielleicht hat sie Sie erpreßt — ? Oder vielleicht haben Sie sie erpreßt, und sie drohte,
Sie bloßzustellen?«
»Das ist einfach phantastisch«,
sagte er mit zitternder Stimme. »Wie in einem Alptraum.«
»Sie hatten die Gelegenheit«,
beharrte ich. »Die Waffen gehörten Ihnen. Sie brachten sie um, um ihr den Mund
zu schließen; und dann mußten Sie die Ritter ebenfalls umbringen, um auch ihr
den Mund zu schließen. Die beiden waren eng befreundet. Sie flirteten auch ein
bißchen mit Nancy Ritter. Sie wußten, ihr würde sofort klar sein, daß Sie Jean Craig
umgebracht haben, und so brachten Sie sie ebenfalls um. Oder vielleicht ist
auch ein Großunternehmer wie Sie durch die beiden Mädchen in Schwierigkeiten
geraten — oder hat Erpressungsgelder von beiden bekommen?«
»Nein«, sagte er. »Nein!«
Er setzte sich plötzlich auf
einen Stuhl, schlug die Hände vors Gesicht und begann zu weinen.
Ich nahm den Telefonhörer ab
und rief Polnik in Miss Bannisters Büro an. Ich warf
einen Blick auf meine Uhr und stellte fest, daß es erst zehn Minuten nach
Mitternacht war. Ich fühlte mich, als ob es vier Uhr morgens wäre.
»Wie geht es mit Ihren
Ermittlungen voran?« fragte ich.
»Langsam, Lieutenant«, sagte
er. »Ich habe mir jetzt eben die sechste vorgeknöpft.«
Bei diesem Tempo bedurfte es
weiterer zwölf Stunden, bis wir durch waren.
»Machen Sie Schluß«, sagte ich,
»Bringen Sie das Mädchen, das Sie eben da haben, in die Aula zurück und warten
Sie auf mich. Ich bin in zwei Minuten bei Ihnen. Und schicken Sie Slade wieder hier herauf.«
Ich wartete schweigend auf Slades Auftauchen, während Pierce schließlich seine Fassung
wiedererlangte und sich geräuschvoll die Nase putzte. Bei dem Krach, den er
dabei machte, war es ein Glück, daß die Mauern von Jericho nicht in der Nähe
standen.
Slade trat leicht atemlos ein, »Wenn
Sie so weitermachen, Lieutenant, werde ich zehn Pfund abnehmen.«
»Ich werde mein Bestes tun«,
sagte ich und reichte ihm einen Schlüssel. »Sie haben einen neuen Kandidaten
für die Heizung.«
Slade hob die Brauen. »Der da?« Er
wies mit dem Daumen in Pierces Richtung.
»Der da«, bestätigte ich. »Wenn
Sie ihn dort eingesperrt haben, kommen Sie in die Aula zurück — ich werde dort
sein.«
»Jawohl, Lieutenant«, sagte Slade . »Okay — stehen Sie auf!« knurrte er Pierce an.
Ich verließ das
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