Verbrechen im Mädchenpensionat
nahm sein
Testament zurück und vermachte mir alles — . Natürlich ist die Sache von dem
>Millionär< eine typische Zeitungsübertreibung — es war wesentlich viel
weniger.«
Ich goß den Scotch hinab Und
hatte allmählich das Gefühl, daß sich mein Magen vielleicht bis zum Morgen doch
nicht in seine Bestandteile auflösen würde.
»Ich verbrachte achtzehn Monate
in der Frauenstrafanstalt. Als ich entlassen wurde, hörte ich von den
Rechtsanwälten meines Vaters, daß er vor sechs Monaten gestorben war und daß
ich das Vermögen geerbt hatte. Ich verkaufte alles und kam nach Kalifornien.
Ich wollte nichts als die Vergangenheit vergessen und dafür sorgen, daß sich
niemand an sie erinnerte.
Ich hatte den Einfall, ein
College wie dieses hier aufzumachen. Das Geld, es einzurichten, besaß ich. Und
ich wußte, daß ich es schaffen konnte. Zudem schien es einen vollkommenen
Schutz zu bieten. Wer würde je im Traum auf die Idee kommen, daß die Leiterin
einer exklusiven Finishing School für Mädchen eine
Verbrecherin gewesen sein könnte, die in einem Frauengefängnis ihre Strafe
abgesessen hatte?«
Sie lachte ohne jede
Heiterkeit. »Vor einem Jahr hatte ich eine Stelle für einen Sprachlehrer zu
vergeben, und Dufay war einer der Bewerber. Seine Qualifikationen waren gut,
und so stellte ich ihn an. Was ich damals nicht wußte, war, daß er ein Jahr
lang in Baltimore unterrichtet hatte, und zwar zu dem Zeitpunkt, als diese
Schlagzeilen erschienen, und daß er sich an mich erinnerte.«
»Und er zog die
Zeitungsausschnitte heraus und drohte mit Enthüllung, wenn Sie nicht zahlten?«
»Genau!«
»Und Sie haben gezahlt?«
»Ich habe gezahlt«, bestätigte
sie, »bis jetzt an die dreißigtausend Dollar. Ich hätte immer weitergezahlt,
wenn dies hier nicht geschehen wäre. Er konnte mich völlig ruinieren — nicht
nur mein College und meinen gesellschaftlichen Status, auch meine Zukunft mit
dem Mann, den ich liebe: Edward.«
»Warum haben Sie mir diese
Zeitungsausschnitte gezeigt?«
»Weil die Sache so weit
gediehen ist«, sagte sie. »Ich kann nicht ertragen, Edward fälschlicherweise
als Mörder angeklagt zu sehen. Es ist mir gleich, was mit mir geschieht, aber
ich will nicht, daß ihm etwas zustößt.«
Ich zündete mir eine Zigarette
an. »Es sieht so aus, als ob Sie beweisen könnten, daß Dufay ein Erpresser ist,
aber das bedeutet nicht notwendigerweise, daß er auch ein Mörder ist.«
»Nachdem er einmal begriffen
hatte, daß ich nicht wagte, auch nur ein Wort zu ihm zu sagen, veränderte er
sich grundlegend«, fuhr sie hitzig fort. »Ich wußte, daß er immer versuchte,
sich mit den Schülerinnen zu verabreden und zu einigem Erfolg zu kommen, aber
ich wagte nicht, das abzustellen. Hinauswerfen konnte ich ihn nicht; und er
hätte mich nur ausgelacht, wenn ich ihm gesagt hätte, er solle es lassen.«
Sie beugte sich mit
angespanntem Gesicht vor. »Ich bin davon überzeugt, daß er einen sehr triftigen
Grund hatte, diese beiden Mädchen umzubringen, Lieutenant. In mancher Beziehung
ist er ein Genie — ein bösartiges Genie! Allein die Fassade — dieses schwache,
milde, schüchterne Verhalten. Sie haben gesehen, wie die arme Tomlinson darauf
hereingeflogen ist! Dahinter ist er hart wie Eisen!«
»Ich werde der Sache
nachgehen«, sagte ich. »Diese Erpressung — sind Sie bereit, vor Gericht gegen
ihn auszusagen?«
Sie biß sich kurz auf die
Lippen und nickte dann. »Ja, ich werde gegen ihn aussagen.«
»Okay«, sagte ich. »Ich werde
mit ihm reden.«
»Lieutenant«, sagte Polnik müde, »was soll das Ganze? Sie erzählen den Leuten,
Sie hätten diesen Burschen Pierce verhaftet und er sei auf dem Weg zur Polizei
und alles sei geklärt; und ich komme raus, und als erstes erzählt mir Slade , Pierce sei zusammen mit den beiden anderen in die
Heizung eingesperrt! Vielleicht ist die Mordabteilung neuerdings in die Heizung
verlegt worden?«
»Wenn ich das Ganze erklären
würde, käme es mir genauso albern vor wie Ihnen«, sagte ich. »Ich erkläre also
nichts. Sehen Sie zu, daß Sie die Küche ausfindig machen, und machen Sie
Kaffee. Ich komme in etwa zwanzig Minuten dorthin. Okay?«
»Okay, Lieutenant«, sagte Polnik mit resignierter Stimme.
Ich verließ die beiden und ging
hinüber zum Flügel mit den Wohnräumen. Ich klopfte an die Tür, auf der Dufays
Name stand, und hörte von drinnen ein verstohlenes Rascheln.
»Wer ist draußen?« rief Dufay
mit nervöser Stimme.
»Wheeler«, sagte ich.
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