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Verbrechen ist Vertrauenssache

Verbrechen ist Vertrauenssache

Titel: Verbrechen ist Vertrauenssache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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biss in die volle Unterlippe.
    »Vorsicht«, sagte sie. »Keine Spuren.«
    Die Brust unter seiner Hand war so fest, als wäre sie aus Kapok. Das würde nicht funktionieren – sie hätte ebensogut ein Sofa sein können. »Keine gute Idee«, sagte er, trat einen Schritt zurück und machte sich los.
    »Nein?« Sie stand am Fenster, sah ihn an und ließ das volle Sonnenlicht für sich sprechen.
    Drei Stockwerke über ihnen führte man jetzt einige Telefongespräche, und nicht alle, um einen Arzt zu rufen. »Manchmal ist es einfach nicht die rechte Zeit«, sagte Parker.
    »Es ist immer die rechte Zeit«, korrigierte sie ihn und lächelte langsam. »Wie in der Bibel steht: Die Hoffnung, die sich verzögert, ängstet das Herz.«
    »Das steht in der Bibel?«
    »Ich tue immer, was die Bibel sagt«, versicherte sie ihm, streckte sich und lächelte erneut. »Komm, lass uns kosen bis an den Morgen, und lass uns der Liebe genießen. Das steht auch in der Bibel.«
    Sie war ein echter Flammenwerfer. »Und Archibald?« fragte er.
    Sie lachte bei der Vorstellung, er könnte einen Gedanken an Archibald verschwenden. »Gestohlenes Wasser ist süß«, zitierte sie, »und heimliches Brot schmeckt fein.«
    »Bestimmt«, sagte Parker. »Und etwas später schmeckt es sogar noch besser. Im Augenblick muss ich passen.«
    Das Lächeln verschwand. Der Körper straffte sich ruckartig. Die blauen Augen hinter der Hornbrille blitzten ihn an. »Passen? Ich bin doch kein Pokerspiel!«
    Das stand nicht in der Bibel.

TEIL VIER

EINS
    Es hieß Sherenden und war ein Haus aus den zwanziger Jahren im Stil jener Zeit, entworfen von einem damals berühmten Architekten und errichtet an einer Schlucht, in einer Gegend, die einst ein Randbezirk der Stadt gewesen war. Auf zwei Morgen des steinigen, mit Buschwerk bewachsenen Steilhangs war es am Ende eines schmalen, gewundenen Weges, der von einer Ausfallstraße abzweigte, aus Feldsteinen, heimischen Hölzern und rostfreiem Stahl gebaut und in die zerklüftete Landschaft eingepasst worden. Die oberste Etage bestand aus einem riesigen Wohnzimmer – vier mit großen Fenstern versehene Wände, in der Mitte ein nach allen Seiten offener Kamin aus schwarzen Steinen. Der Rest des Hauses befand sich darunter: Es waren insgesamt vier Etagen, verbunden durch einen Aufzug, dessen Schacht man aus den Felsen gesprengt hatte.
    Der ursprüngliche Besitzer war ein seinerzeit ebenfalls berühmter Rechtsanwalt gewesen, der in der untersten Etage, eingerahmt von zwei Felsvorsprüngen, sein mit einem Bad und einer kleinen Küche versehenes Arbeitszimmer gehabt hatte. Vom Schreibtisch aus hatte er durch das Panoramafenster auf die Wildnis der Schlucht blicken können, als befände er sich in der Gondel eines Ballons. Vom Rest des Hauses war dort absolut nichts zu sehen.
    Als es gebaut worden war, hatte man es als gewagt und originell bezeichnet, als eine beispielhafte Vorwegnahme derZukunft. Es war in Zeitungen und Magazinen gepriesen worden, und in Büchern über moderne Architektur waren noch immer kleine Schwarzweißfotos davon zu finden.
    Die Zeit war dem Haus nicht gnädig gewesen. Erst kam die Scheidung, bei der so erbittert gestritten wurde wie nur irgendwann bei einem Scheidungsprozess und wo es unter anderem um Sherenden ging. Mehr als zehn Jahre lang wohnte niemand darin. Die Siegerin, die nichts mit dem Haus anzufangen wusste und es nur aus Gehässigkeit hatte haben wollen, ignorierte es in den Jahren darauf beinahe vollständig. Ihre Erben verkauften es so schnell sie nur konnten.
    Und dann war da die Stadt, die sprunghaft und in Richtungen gewachsen war, welche die Stadtplaner nicht vorhergesehen hatten. Man hatte es für höchst unwahrscheinlich gehalten, dass sich die Stadt bis zu diesem felsigen, gerade noch innerhalb der Stadtgrenzen liegenden Gelände voller unzugänglicher Schluchten ausbreiten würde. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Interstate-Schnellstraßen gebaut, und eine der Zufahrten befand sich nicht weit von hier, gleich jenseits der Stadtgrenze. Mit einemmal erschien es sinnvoll, Hügel abzutragen, Geländeeinschnitte aufzufüllen und billige Häuser für Arbeiter zu bauen – tausend Häuser nach demselben Plan, rings um die zwei Morgen, auf denen Sherenden stand.
    In den frühen sechziger Jahren unterteilte einer der Besitzer das Haus mit Hilfe von viel Sperrholz und unter Entfernung von mehr als der Hälfte der ursprünglichen Fenster in zwei separate Wohnungen. (Der Aufzug funktionierte

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