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Verbrecher und Versager.

Verbrecher und Versager.

Titel: Verbrecher und Versager. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
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den größeren Briefen von Schiller, von denen ich überhaupt nichts verstehe, weil sie nicht an mich gerichtet sind, sondern an einen Prinzen, dem Schiller für Geld die Gedanken ordnet und Ordnung in staatliche Gärten bringt, in den finsteren Schauplatz der physischen Schöpfung, den Konflikt blinder Kräfte, den Charakter der Zeit, in den ewigen Widerspruch des Betragens. Vollstrecken muss es der mutige Wille und das lebendige Gefühl, was Schiller nur redet, führen andere aus. Denn es ist etwas Großes im Anzug, Revolution in der Nachbarschaft, zusammen mit Kronenbitters Brief ist auch Post von Kosinsky ins Haus gekommen, den es nach Frankreich verschlagen hat, wo man Räuber nicht auf die Bühne bringt, sondern wo wirkliche Köpfe rollen.
    Mein lieber Spiegelberg, Roller und Schwarz, von Picknick im Bopserwald keine Rede, die Drillingskörbe sind viel zu klein und können die Menge der Köpfe nicht fassen. Ein Korb nach dem nächsten geht über die Bühne, aus jedem fließt Blut und hört auch am Abend nicht auf zu fließen, auch Schwimmer kommen nicht lebend davon, und niemand klappt Barrikaden zusammen. Denn es gibt keinen Abend und auch keinen Morgen, die Sonne in Frank- reich geht niemals unter, überall Feuer und fliehende Kutschen. Wer laufen kann, läuft, wer stehen bleibt, stirbt, wer stirbt, stirbt ohne Säbel und Segen, gelegentlich überlebt ein Zopf.
    Zopf in den Korb, denn dort steht geschrieben, wie groß und günstig das Angebot ist. Von oben bis unten ein neues Leben, weg mit den Knöpfen und eckigen Schultern, die Sonne nachher wieder wie neu. Ein Stück, von dem Schiller nur träumt, weder mit Wein noch mit Tinte geschrieben, nicht Wallenstein , keine Junfrau Johanna , ein ewiger Dreißigjähriger Krieg, und also wirble du, Tambour, den Generalmarsch drein, der Abschied macht uns sonst zu weich, wir weinen kleinen Kindern gleich, es muss geschieden sein.
    Aber die Zimmerwirtin bin ich, ich reise mit wem und wohin ich will, ich messe den Krieg nicht mit Schreibpapier aus. Ich knie nieder, sortiere die Asche und lege bekannte Muster aus Scherben, die ganze zerbrechliche Geographie, damit mir die Landschaft begreiflich wird. Dann gehe ich hinauf in mein Zimmer und träume weiter von Afrika.

    Liebe Frau Vischer. Wir sind jetzt an Land. Und wir sind jetzt zu dritt. Seit gestern ist eine Frau im Spiel, die hat sich Kapf auf dem Markt ersteigert, billig und vierzehn, stumm und sehr schön. Heidenmissionar möchte er werden, heiraten will er dagegen nicht. Denn Heiraten ist hier allgemein teuer, die Damen fordern und bringen nichts ein. Das Mädchen dagegen schlägt kaum zu Buch, sie kostet in etwa dasselbe wie ich, Kost und Logis, je nachdem wie protestantisch die Nächte hier sind und wie sehr er seine Heimat vermisst. Denn man liest hier keine katholischen Messen, hier wird durch und durch holländisch exerziert, jeden Befehl muss man übersetzen. Das langsamste Regiment der Welt, noch bevor man die Hand an die Mütze legt, ist der Krieg schon verloren.
    Kapf redet noch immer von Heldentaten, nur gibt man
    ihm nicht die Gelegenheit. Wache schieben und Schiffe versenken, hier und da eine kleine Parade. Der Rest ist gähnende Langeweile. Kapf prügelt die Zeit, die Mannschaft hungert, ich führe den Haushalt. Ein herrliches Haus aus Seide und Atlas, Sie würden die Vorhänge lieben. Den Morgenkaffee trinkt Kapf um fünf, dazu Braten und Huhn. Um acht Pasteten mit Schinken und Soße, ich trinke, was in den Gläsern bleibt, in den Gläsern bleibt nichts. Um neun auf Parade, ich halte das Pferd und poliere die Zügel. Denn ein Pferd ist besser als jede Frau, Kronenbitter, das sehen Sie doch, schreit Kapf, der gekrönte König der Schulden. Der weiß genau, wie man spekuliert, hat alle Schulden in Schiffe gesteckt, die nachher verlässlich im Meer versinken, und ich sage, Kapf, das kommt mit auf die Rechnung.
    Die Pferde sind allerdings sehr schön. Das eine heißt Tilly, das andere Teil, die reiten bis zwölf eine runde Visite und kehren am Mittag besoffen zurück. Direkt an den Tisch, zwölf warme Speisen, danach ist es drinnen wie draußen so heiß, dass niemand mehr an Bewegung denkt, von Krieg ganz zu schweigen. Ich mache die Fensterläden zu, bis fünf kein Laut, mein Herr wird wohl beten. Nach fünf kommt Besuch auf Hombre und Wein, um acht wieder acht warme Schüsseln. Man isst und spielt und trinkt immer zuhause, niemand wagt sich hier nachts vor die Tür. Weit und breit kein einziges

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