Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)
haben es aber verheimlicht und sich dies bei der Ermordung von Togashi zunutze gemacht. Denn einen besseren Komplizen als jemanden, von dem keiner weiß, gibt es nicht.«
»Aber warum halten sie dann ihre Beziehung nicht weiter geheim?«
»Dafür kann es unendlich viele Gründe geben. Eine Beziehung lässt sich auf Dauer nie verbergen. Vielleicht wollten sie die Gelegenheit für ein vorgetäuschtes Wiedersehen nutzen.«
Kishitani nickte, aber seine Skepsis war ihm anzusehen.
Sie verließen das Revier und stiegen in Kusanagis Auto.
»Die Rechtsmedizin geht davon aus, dass es sich bei der Tatwaffe um ein Elektrokabel handelt«, sagte Kishitani beim Anschnallen. »Genauer gesagt, ein mit Stoff überzogenes Kabel.«
»Genau. Wie sie zum Beispiel für Heizstrahler und Kotatsus verwendet werden.«
»Die Struktur des Textils war an den Verletzungen am Hals erkennbar.«
»Und?«
»Ich habe mir den Kotatsu in Frau Hanaokas Wohnung angesehen. Das Kabel ist nicht mit Stoff überzogen, sondern mit Kunststoff.«
»Ja, und weiter?«
»Nichts weiter.«
»Es gibt noch eine Menge andere Elektrogeräte außer Kotatsus. Und die Tatwaffe muss ja auch nicht unbedingt aus dem Haushalt des Mörders stammen. Vielleicht haben sie eine Schnur von der Straße aufgehoben.«
»Ja, vielleicht …« Kishitani klang nicht überzeugt.
Der ältere und der jüngere Kommissar hatten Yasuko Hanaoka in den letzten Tagen gemeinsam beobachtet. Hauptzweck dieser Observierung war es, einen möglichen Komplizen zu ermitteln. So hatten sie sie auch verfolgt, als sie nach der Arbeit mit einem Mann in einem Taxi davongefahren war, und geduldig vor dem Restaurant in Shiodome gewartet.
Nach dem Essen hatte das Paar wieder ein Taxi genommen und war direkt zu Yasukos Wohnung gefahren, wo der Mann jedoch nicht ausgestiegen war. Kusanagi hatte es Kishitani überlassen, Yasuko zu befragen, und war dem Taxi gefolgt. Er war nicht bemerkt worden.
Der Mann wohnte in einem besseren Apartmenthaus in Osaki. Laut dem Namensschild an seiner Tür hieß er Kuniaki Kudo.
Kusanagi war mittlerweile überzeugt, dass Yasuko den Mord auf keinen Fall allein begangen haben konnte, falls sie überhaupt etwas damit zu tun hatte. Sie musste einen männlichen Komplizen gehabt haben, der wahrscheinlich sogar der Mörder war. Konnte Kudo dieser Mann sein? Doch schon, als er den möglichen Tathergang mit Kishitani besprach, glaubte ernicht daran. Nein, er spürte, dass sie erneut einer falschen Fährte folgten.
Ihm ging noch etwas ganz anderes durch den Kopf: Die beiden Männer, die er unerwartet am Tag zuvor gesehen hatte, als er das
Benten-tei
beschattete, seinen Freund Manabu Yukawa und diesen Mathematiklehrer, der neben Yasuko Hanaoka wohnte.
Kapitel 10
Kurz nach 18 Uhr fuhr der grüne Mercedes, den Kusanagi bereits am Tag zuvor bei Kudos Fahrt ins Büro als dessen Wagen identifiziert hatte, in die unterirdische Garage des Apartmenthauses. Der Kommissar, der das Haus von einem Café gegenüber beobachtete, stand auf und legte das Geld für zwei Tassen Kaffee auf den Tisch. Die zweite war noch fast voll.
Im Laufschritt überquerte er die Straße und rannte dann in die Tiefgarage. Das Haus hatte selbsttätig schließende Eingänge im Keller und im Parterre. Wer im Keller parkte, benutzte vermutlich den dortigen Eingang. Kusanagi wollte Kudo möglichst abpassen, bevor er das Haus betrat, um ihm keine Zeit zu geben, sich vorzubereiten.
Er hatte Glück und gelangte vor Kudo an die Tür. Während der Kommissar, eine Hand an die Wand gestützt, verschnaufte, bog dieser um die Ecke. Er trug einen Anzug und hatte eine Aktenmappe unter dem Arm. Kudo war im Begriff aufzuschließen, als Kusanagi ihn anrief: »Herr Kudo?«
Dieser richtete sich überrascht auf, zog den Schlüssel aus der Tür und wandte sich um. Argwohn breitete sich auf seinem Gesicht aus.
»Ja, bitte?« Er maß Kusanagi mit einem raschen Blick.
Der Kommissar zog seinen Ausweis aus der Tasche und zeigte ihn kurz.
»Ich bin von der Polizei. Tut mir leid, dass ich Sie so überfalle. Aber vielleicht können Sie mir helfen.«
»Sie sind von der Polizei …« Kudo senkte die Stimme und sah ihn forschend an.
Kusanagi nickte. »Ja, ich würde gern kurz mit Ihnen über Yasuko Hanaoka sprechen.«
Er achtete genau darauf, wie Kudo auf den Namen reagierte. Reagierte er übertrieben erstaunt, stimmte wahrscheinlich etwas nicht. Denn Kudo wusste ja von dem Mord.
Aber er nickte nur stirnrunzelnd.
»Ich verstehe.
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