Verdammnis
Körpergröße Schuhe mit hohen Absätzen. Seine Karriere hatte er als stellvertretender Staatsanwalt in Uppsala begonnen, woraufhin er in eine Untersuchungskommission des Justizministeriums berufen wurde, die sich um die Anpassung der schwedischen Gesetzgebung an die EU-Gesetze kümmerte. Diese Aufgabe erledigte er so gut, dass er eine Zeit lang sogar die ganze Kommission leitete. Weitere Aufmerksamkeit erregte er mit einem Bericht über organisatorische Mängel auf dem Gebiet der Rechtssicherheit. Er forderte eine größere Effektivität statt eine Erhöhung der Mittel, wie sie manche Polizeibehörden wünschten. Nach vier Jahren stieg er zum Staatsanwalt in Stockholm auf, wo er es des Öfteren mit aufsehenerregenden Raubüberfällen oder Gewaltverbrechen zu tun hatte.
In den höheren Etagen hielt man ihn für einen Sozialdemokraten, doch in Wirklichkeit war Ekström parteipolitisch völlig indifferent. Er hatte es allmählich zu einer gewissen Popularität in den Medien gebracht, und auf den Fluren der Macht war er ein Mann, auf den die Obrigkeit immer öfter die Augen richtete. Mithin war er definitiv ein potenzieller Kandidat für höhere Posten, und dank seiner vermuteten ideologischen Neigung hatte er in politischen und polizeilichen Kreisen ein breites Kontaktnetz. In der Polizei gingen die Meinungen über Ekströms Fähigkeiten freilich auseinander. Seine Berichte fürs Justizministerium hatten sich gegen die Kreise gerichtet, die behaupteten, dass eine Verbesserung der Rechtssicherheit am ehesten durch Personalaufstockungen zu erreichen sei. Doch andererseits hatte Ekström gezeigt, dass er nicht viel Federlesens machte, wenn er einen Fall vor Gericht bringen wollte.
Nachdem Ekström eine schnelle Zusammenfassung über die Ereignisse der Nacht in Enskede bekommen hatte, stellte er fest, dass diese Angelegenheit ein großes Potenzial an kinetischer Energie barg und ohne Zweifel für allerlei Turbulenzen in den Massenmedien sorgen würde. Das war kein 08/15-Mord. Die zwei Toten waren eine promovierende Kriminologin und ein Journalist - Letzteres ein Wort, das er, je nach Situation, hasste oder liebte.
Kurz nach sieben hielt Ekström bereits eine hastige Telefonkonferenz mit dem Chef der Kriminalpolizei ab. Um viertel nach sieben griff Ekström zum Hörer und weckte Kriminalinspektor Jan Bublanski, bei seinen Kollegen besser bekannt unter dem Spitznamen »Kommissar Bubbla«. Bublanski hatte über Ostern eigentlich frei, um den Überstundenberg abzutragen, der sich im Laufe des letzten Jahres angehäuft hatte, doch nun wurde er gebeten, seinen Urlaub zu unterbrechen und sich umgehend auf dem Präsidium einzufinden, um die Ermittlungen im Enskede-Fall zu leiten.
Bublanski war 52 Jahre alt und arbeitete seit seinem 23. Lebensjahr für die Polizei, mehr als die Hälfte seines Lebens also. Sechs Jahre lang war er Streife gefahren, hatte dann im Waffenund im Diebstahlsdezernat gearbeitet, bis er schließlich in die Abteilung für Gewaltverbrechen der Bezirkspolizei aufgestiegen war. In den letzten zehn Jahren hatte er an dreiunddreißig Mord- oder Totschlagsermittlungen teilgenommen. Dabei hatte er siebzehn Ermittlungen selbst geleitet, von denen wiederum vierzehn restlos aufgeklärt waren und zwei als gelöst galten, was bedeutete, dass die Polizei den Mörder kannte, aber nicht genügend Beweise beibringen konnte, um die fragliche Person Recht und Gesetz zuzuführen. In einem einzigen Fall, der mittlerweile sechs Jahre zurücklag, hatten Bublanski und seine Mitarbeiter keinen Erfolg gehabt. Dabei ging es um einen notorischen Alkoholiker und Unruhestifter, der in seiner Wohnung in Bergshamra erstochen worden war. Der Tatort war ein einziger Albtraum aus Fingerabdrücken und DNA-Spuren mehrerer Dutzend Personen, die im Laufe der Jahre in dieser Wohnung gesoffen und randaliert hatten. Bublanski und seine Kollegen waren überzeugt davon, dass der Täter im weitläufigen Bekanntenkreis aus Alkoholikern und Rauschgiftsüchtigen zu suchen war, aber der Mörder hatte die Polizei trotz intensiver Ermittlungsarbeit immer wieder täuschen können. Schließlich war der Fall zu den Akten gelegt worden.
Insgesamt hatte Bublanski eine glänzende Aufklärungsstatistik vorzuweisen und galt unter seinen Kollegen als äußerst verdienstvoller Inspektor.
Er stand aber auch im Ruf, ein wenig seltsam zu sein, was teilweise darauf beruhte, dass er Jude war und zu gewissen Feiertagen mit der Kippa in den Fluren des Polizeigebäudes
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