Verdammnis
Erika folgte seinem Blick. Dann sahen sie sich an.
»Das muss gar nichts mit dem Buch selbst zu tun haben. Vielleicht hatten sie einfach zu viel geschnüffelt und dabei Dinge herausgefunden … ich weiß nicht. Irgendjemand fühlte sich vielleicht bedroht …«
»… und hat einen Killer engagiert? Ach, Micke - so was gibt es nur in amerikanischen Filmen. In diesem Buch geht es um Freier. Dag nennt die Namen von Polizisten, Politikern und Journalisten. Sollte allen Ernstes einer von denen Dag und Mia ermordet haben?«
»Ich weiß es nicht, Ricky. Aber wir wollten in drei Wochen mit der radikalsten Veröffentlichung zum Thema Mädchenhandel in Druck gehen, die jemals in Schweden erschienen ist.«
In diesem Moment steckte Malin Eriksson ihren Kopf zur Tür herein und verkündete, ein Kriminalinspektor Bublanski wolle mit Mikael Blomkvist sprechen.
Bublanski schüttelte Erika Berger und Mikael Blomkvist die Hand und setzte sich auf den dritten Stuhl am Fenstertischchen. Er musterte Mikael und sah einen hohläugigen, unrasierten Menschen vor sich.
»Hat sich schon etwas Neues getan?«, wollte Mikael wissen.
»Vielleicht. Wenn ich das richtig verstanden habe, waren Sie es, der gestern Nacht das Paar in Enskede gefunden und auch die Polizei gerufen hat.«
Mikael nickte müde.
»Ich weiß, dass Sie in der Nacht schon eine Aussage gemacht haben, aber könnten Sie mir noch ein paar Details genauer erläutern?«
»Was wollen Sie wissen?«
»Wie kam es, dass Sie das Paar so spät am Abend noch besuchen wollten?«
»Das ist kein Detail, das ist ein ganzer Roman«, lächelte Mikael müde. »Ich war bei meiner Schwester zum Abendessen eingeladen - sie wohnt in dem Neubaugebiet am Stäket. Dag Svensson hat mich auf dem Handy angerufen und erklärt, dass er es am Gründonnerstag, also heute, nicht mehr in die Redaktion schaffen würde, wie wir vorher vereinbart hatten. Er sollte Bilder für meinen Kollegen Christer Malm abliefern. Der Grund war der, dass Mia und er beschlossen hatten, über Ostern zu ihren Eltern zu fahren, und sie wollten schon frühmorgens starten. Er fragte mich deshalb, ob es in Ordnung wäre, wenn er stattdessen morgens bei mir zu Hause vorbeifahren würde. Ich meinte, ich sei sowieso in der Nähe, also könnte ich auf dem Heimweg auch einfach bei ihm vorbeikommen und die Bilder mitnehmen.«
»Sie fuhren also nach Enskede, um Bilder abzuholen.«
Mikael nickte.
»Können Sie sich ein Motiv vorstellen, warum jemand das Paar Svensson und Bergman ermordet hat?«
Mikael und Erika tauschten einen Blick. Beide schwiegen.
»Was ist?«, hakte Bublanski nach.
»Wir haben heute natürlich schon über diese Frage gesprochen und sind uns uneinig. Oder eigentlich nicht uneinig - nur unsicher. Wir wollen nicht spekulieren.«
»Erzählen Sie’s mir.«
Mikael setzte ihm den Inhalt von Dag Svenssons Buch auseinander. Bublanski schwieg eine Weile.
»Dag Svensson wollte in diesem Buch also Polizisten namentlich nennen?«
Ihm gefiel die Wendung, die dieses Gespräch genommen hatte, ganz und gar nicht. Er sah bereits vor sich, wie sich die Medien auf eine mögliche Verwicklung der Polizei förmlich stürzen würden.
»Nein«, berichtigte Mikael. »Dag Svensson wollte Verbrecher namentlich nennen, von denen einige zufällig Polizisten sind. Es gibt da durchaus auch ein paar Personen, die meiner Berufsgruppe angehören, nämlich Journalisten.«
»Und diese Informationen wollen Sie jetzt veröffentlichen?«
Mikael warf Erika einen Blick zu.
»Nein«, beschwichtigte sie. »Wir haben die laufenden Arbeiten für unser nächstes Heft heute komplett gestoppt. Wir werden höchstwahrscheinlich Dag Svenssons Buch veröffentlichen, aber das wird erst geschehen, wenn wir genau wissen, was passiert ist. Wie die Dinge momentan liegen, muss das Buch teilweise umgearbeitet werden. Wir haben nicht vor, die polizeilichen Ermittlungen im Mord an zwei Freunden zu sabotieren, wenn es das ist, was Ihnen Sorgen macht.«
»Ich muss einen Blick auf Dag Svenssons Schreibtisch werfen. Es könnte ein bisschen heikel werden mit einem Durchsuchungsbefehl, das ist hier ja immerhin eine Zeitungsredaktion.«
»Sie finden das gesamte Material in Dag Svenssons Laptop«, bemerkte Erika.
»Aha«, sagte Bublanski.
»Ich habe Svenssons Schreibtisch schon durchgesehen«, erklärte Mikael. »Ich habe ein paar Notizen entfernt, die anonyme Quellen identifizieren. Alles andere steht Ihnen zur vollen Verfügung, ich habe auch extra einen
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