Verdammnis
der mich in der U-Bahn beklauen wollte. Es gibt nicht die geringste Verbindung zwischen der Lundagatan und den Ereignissen in Enskede.«
»Aber Sie haben auch keine Anzeige erstattet?«
»Nein.« Mikael zögerte kurz. »Lisbeth Salander legt großen Wert auf ihre Privatsphäre. Ich hatte zwar überlegt, ob ich zur Polizei gehen soll, fand dann aber, dass es ihre Sache war, den Überfall anzuzeigen. Ich wollte auf jeden Fall zuerst mit ihr reden.«
»Was Sie aber nicht getan haben.«
»Wie gesagt, ich hatte sie schon lange nicht mehr gesprochen.«
»Warum ist Ihr … wenn Verhältnis das richtige Wort ist, warum ist es zu Ende gegangen?«
Mikael wählte seine Worte mit Bedacht.
»Sie ist ein sehr einsamer und eigenwilliger Mensch. Sozial sehr zurückhaltend. Sie spricht äußerst ungern über sich selbst. Gleichzeitig ist sie aber auch ein Mensch mit einem starken Willen. Sie hat Moral.«
»Moral?«
»Ja. Eine ganz eigene Moral. Sie könnten sie niemals dazu bringen, irgendetwas gegen ihren Willen zu tun. In ihrer Welt sind die Dinge sozusagen entweder richtig oder falsch.«
Bublanski dachte, dass Mikael Blomkvist sie genauso beschrieb wie Dragan Armanskij. Zwei Männer, die sie näher gekannt hatten, schätzten sie genau gleich ein.
»Kennen Sie Dragan Armanskij?«, wollte Bublanski wissen.
»Wir sind uns ein paarmal begegnet. Ich bin letztes Jahr mal ein Bier mit ihm trinken gegangen, als ich rausfinden wollte, wohin Lisbeth verschwunden ist.«
»Sie kann gut recherchieren?«, vergewisserte sich Bublanski.
»Besser als jeder andere«, versicherte Mikael.
Bublanski trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte und blickte durchs Fenster auf den Menschenstrom in der Götgatan hinunter. Er war hin und her gerissen. Die rechtspsychiatrischen Unterlagen, die Hans Faste vom Vormundschaftsgericht mitgebracht hatte, behaupteten, Lisbeth Salander sei ein psychisch gestörter und gewaltbereiter Mensch. Die Antworten, die er von Dragan Armanskij und Mikael Blomkvist bekommen hatte, wichen von dem Bild, das die Psychiater nach mehrjährigen Studien in ihren Gutachten gezeichnet hatten, gewaltig ab. Beide beschrieben sie als sonderbaren Menschen, aber beide hatten auch eine Spur von Bewunderung in der Stimme.
Außerdem verwendete Blomkvist den Ausdruck, er habe eine ganze Weile mit ihr »Umgang gehabt« - was auf eine sexuelle Verbindung hindeutete. Bublanski überlegte, was für Regeln diesbezüglich für Personen mit rechtlicher Betreuung galten. Hatte Blomkvist sich am Ende irgendeines Übergriffs schuldig gemacht, als er diese in einem Abhängigkeitsverhältnis stehende Person missbrauchte?
»Und wie haben Sie ihr soziales Handicap erlebt?«, fragte er weiter.
»Handicap?«, wiederholte Mikael ungläubig.
»Ihre rechtliche Betreuung und ihre psychischen Probleme.«
»Rechtliche Betreuung?«, echote Mikael.
»Psychische Probleme?«, echote Erika Berger.
Bublanski blickte verblüfft zwischen Mikael und Erika hin und her. Sie wissen es nicht. Sie wissen es wirklich nicht. Bublanski verspürte auf einmal eine Spur von Gereiztheit gegenüber Armanskij und Blomkvist und vor allem Erika Berger mit ihrer eleganten Kleidung und ihrem mondänen Büro mit Aussicht auf die Götgatan. Aber er ließ seine Gereiztheit an Mikael aus.
»Es will mir einfach nicht in den Kopf, warum Sie und Armanskij mich für dumm verkaufen wollen«, sagte er.
»Wie bitte?«
»Lisbeth Salander ist seit dem Teenageralter Dauergast in der Psychiatrie«, erklärte Bublanski. »Eine rechtspsychiatrische Untersuchung und ein Gerichtsbeschluss haben daraufhin festgestellt, dass sie nicht in der Lage ist, sich selbst um ihre Angelegenheiten zu kümmern. Sie wurde unter rechtliche Betreuung gestellt. Sie hat erwiesenermaßen eine gewalttätige Veranlagung und schon ihr ganzes Leben Ärger mit den Behörden. Jetzt ist sie in höchstem Maße verdächtig … in diesen Doppelmord verwickelt zu sein. Und Sie und Armanskij sprechen von ihr wie von einer Prinzessin.«
Mikael Blomkvist starrte Bublanski schweigend an.
»Ich will es so ausdrücken«, fuhr Bublanski fort. »Wir haben eine Verbindung zwischen Lisbeth Salander und dem Paar in Enskede gesucht. Wie sich herausgestellt hat, sind Sie diese Verbindung, denn Sie haben die beiden ja gefunden. Wollen Sie das irgendwie kommentieren?«
Mikael lehnte sich zurück. Er schloss die Augen und versuchte, die Neuigkeiten zu ordnen. Lisbeth Salander verdächtig im Mordfall Dag und Mia. Das kann nicht
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