Verdammnis
Modig schwiegen.
»Hobby?«, fragte Bublanski nach einer Weile.
»Das waren irgendwelche Gleichungen. Ich wusste nicht mal, was all diese Zeichen bedeuten.«
Bublanski seufzte.
»Das Sozialamt hat ein Gutachten erstellt, nach dem sie als 17-Jährige in Tantolunden in Gesellschaft eines älteren Mannes aufgegriffen worden ist. Darin heißt es, sie habe sich vermutlich prostituiert.«
»Lisbeth als Nutte? Was für ein Quark! Ich weiß nicht, was sie derzeit beruflich macht, aber es wundert mich kein bisschen, dass sie einen Job bei Milton Security hatte.«
»Wie verdient sie ihren Lebensunterhalt?«
»Weiß ich nicht.«
»Ist sie lesbisch?«
»Nein. Lisbeth hat Sex mit mir, aber das heißt noch lange nicht, dass sie eine Lesbe ist. Ich glaube, sie weiß selbst nicht, was für eine sexuelle Identität sie eigentlich hat. Schätzungsweise ist sie bisexuell.«
»Und dass Sie Handschellen und Ähnliches verwenden … ist Lisbeth Salander sadistisch veranlagt, oder wie würden Sie sie am ehesten beschreiben?«
»Ich glaube, Sie haben das alles ein bisschen in den falschen Hals gekriegt. Dass wir ab und zu Handschellen benutzen, ist nur ein Rollenspiel und hat nichts mit Sadismus oder Gewalt zu tun. Es ist ein Spiel.«
»Ist sie Ihnen gegenüber jemals gewalttätig geworden?«
»Nein. In unseren Spielen übernehme ich den dominanten Part.«
Miriam Wu lächelte süß.
Bei der nachmittäglichen Sitzung gab es den ersten handfesten Streit unter den Ermittlern. Bublanski fasste die Lage zusammen und erklärte, dass er es für angezeigt hielt, die Fahndung etwas breiter anzulegen.
»Vom ersten Tag an haben wir unsere gesamte Energie darauf konzentriert, Lisbeth Salander zu finden. Sie war höchst verdächtig - und das aus sachlichen Gründen -, aber das Bild, das wir von ihr haben, wird von allen Personen, die sie heute kennen, als Fehleinschätzung betrachtet. Weder Armanskij noch Blomkvist oder Miriam Wu sehen in ihr eine psychotische Mörderin. Daher möchte ich, dass wir unsere Bemühungen ein wenig erweitern und anfangen, uns Gedanken über andere mögliche Täter zu machen. Wir müssen die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass Salander einen Mittäter gehabt haben könnte oder einfach nur anwesend war, als die Schüsse fielen.«
Bublanskis Darlegung zog eine heftige Debatte nach sich, in der ihm vor allem Hans Faste und Sonny Bohman von Milton Security Widerstand leisteten. Beide behaupteten, die einfachste Erklärung sei meistens auch die richtige und Gedanken über andere Täter sicherlich Zeitverschwendung.
»Wir können ja immer noch auf Blomkvists Polizeispur zurückgreifen«, meinte Hans Faste säuerlich.
Die Einzige, die in dieser Diskussion auf Bublanskis Seite stand, war Sonja Modig. Curt Svensson und Jerker Holmberg begnügten sich mit vereinzelten Kommentaren. Niklas Eriksson von Milton schwieg die ganze Zeit. Schließlich hob Staatsanwalt Ekström die Hand.
»Bublanski - ich verstehe das so, dass Sie Salander keinesfalls aus der Ermittlung streichen wollen.«
»Nein, natürlich nicht. Wir haben schließlich ihre Fingerabdrücke sichergestellt. Aber bis jetzt haben wir uns den Kopf über ein mögliches Motiv zerbrochen, ohne eines zu finden. Ich will, dass wir unsere Gedanken auch einmal in andere Bahnen lenken. Könnten noch mehr Personen in den Fall verwickelt sein? Könnte es trotz allem mit dem Buch über Mädchenhandel zu tun haben, an dem Dag Svensson gerade schrieb? Blomkvist hat durchaus recht, wenn er sagt, dass mehrere Personen, die in diesem Buch vorkommen, ein Mordmotiv hätten.«
»Wie wollen Sie vorgehen?«, erkundigte sich Ekström.
»Ich möchte, dass zwei Personen sich mit der Suche nach einem anderen möglichen Täter beschäftigen. Sonja und Niklas können dabei helfen.«
»Ich?«, fragte Niklas Eriksson verblüfft.
Bublanski hatte ihn ausgesucht, weil er der Jüngste im Raum war und wahrscheinlich am ehesten in der Lage, auch unorthodox zu denken.
»Sie arbeiten mit Sonja Modig zusammen. Gehen Sie alles durch, was wir bis jetzt wissen, und versuchen Sie etwas zu finden, was uns entgangen ist. Faste, Svensson und Bohman arbeiten weiter an der Suche nach Salander. Das hat höchste Priorität.«
»Und was soll ich machen?«, fragte Jerker Holmberg.
»Konzentrier dich auf Bjurman. Nimm dir noch mal seine Wohnung vor. Prüf nach, ob wir was übersehen haben. Noch Fragen?«
Keiner hatte Fragen.
»Gut. Dass Miriam Wu aufgetaucht ist, machen wir nicht öffentlich. Sie
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