Verdammnis
sprachlos.
»Da gibt es noch ein geheimnisvolles Detail …«, fuhr Jerker Holmberg fort.
»Noch was?«
»Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Nieminens Lederjacke … also, er ist ja mit dem Motorrad hergekommen.«
»Ja, und?«
»Sie war kaputt.«
»Wie, ›kaputt‹?«
»Es fehlt ein Stück. Ein ungefähr zwanzig mal zwanzig Zentimeter großes Stück, das aus dem Rückenteil herausgeschnitten wurde. Genau da, wo das Klubwappen von Svavelsjö MC sitzen müsste.«
Bublanski hob die Augenbrauen.
»Warum sollte Lisbeth Salander ein Stück aus seiner Jacke heraustrennen? Als Trophäe?«
»Ich hab da so eine Idee«, meinte Jerker Holmberg.
»Und die wäre?«
»Magnus Lundin hat eine ziemliche Wampe, blondes Haar und einen Pferdeschwanz. Einer von den Typen, die Salanders Freundin Miriam Wu entführt haben, war blond, hatte einen Bierbauch und einen Pferdeschwanz.«
Lisbeth Salander hatte kein derart schwindelerregendes Gefühl mehr erlebt, seit sie im Vergnügungspark Gröna Lund das Fahrgeschäft »Free fall« benutzt hatte. Damals war sie dreimal hintereinander gefahren und hätte noch dreimal gewollt, wäre ihr nicht das Geld ausgegangen.
Sie stellte fest, dass es eine Sache war, eine leichtgewichtige Kawasaki mit 125 Kubik zu steuern, die eigentlich nur ein ordentlich frisiertes Moped war, eine ganz andere hingegen, die Kontrolle über eine Harley Davidson mit 450 Kubik zu behalten. Die ersten dreihundert Meter auf Bjurmans schlecht instand gehaltenem Waldweg waren die reinste Achterbahn. Zweimal wäre sie fast vom Weg abgekommen und bekam das Fahrzeug erst in letzter Sekunde wieder unter Kontrolle. Es fühlte sich an, als würde man auf einem panischen Elch reiten.
Außerdem rutschte ihr der Helm immer wieder über die Augen, obwohl sie ihn extra mit einem Stück aus Sonny Nieminens wattierter Lederjacke ausgestopft hatte.
Sie traute sich nicht, stehen zu bleiben und den Helm zurechtzurücken, weil sie Angst hatte, das Gewicht der Maschine dann nicht mehr halten zu können. Sie war zu klein, um rechts und links mit den Füßen auf den Boden zu kommen, und befürchtete, dass ihr die Harley einfach umkippen würde. Und allein würde sie es niemals schaffen, sie wieder aufzustellen.
Doch sobald sie auf den breiteren Kiesweg kam, der zur Ferienhaussiedlung führte, ging es schon einfacher. Als sie wenige Minuten später auf die Straße nach Strängnäs einbog, wagte sie, kurz eine Hand vom Lenker zu nehmen und den Helm zurechtzurücken. Dann gab sie Gas. Sie legte die Strecke nach Södertälje in Rekordzeit zurück und musste die ganze Zeit verzückt grinsen. Kurz vor Södertälje kamen ihr zwei Polizeiautos mit heulenden Sirenen entgegen.
Am klügsten wäre es natürlich gewesen, wenn sie die Harley schon in Södertälje entsorgt und Irene Nesser mit dem Vorortzug nach Stockholm geschickt hätte, doch Lisbeth Salander konnte der Versuchung einfach nicht widerstehen. Sie fuhr auf die E4 und beschleunigte. Sorgfältig achtete sie darauf, die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht zu überschreiten, na ja, auf jeden Fall nicht allzu sehr, aber es fühlte sich trotzdem an wie der »Free fall«. Erst auf der Höhe von Älvsjö nahm sie die Ausfahrt, fuhr bis Mässan und schaffte es, die Maschine zu parken, ohne sie umzuwerfen. Mit großem Bedauern ließ sie das Motorrad zurück, mitsamt dem Helm und dem Lederfetzen von Sonny Nieminens Jacke. Dann nahm sie den Zug. Sie war ziemlich ausgekühlt. Bei Södra station stieg sie aus, ging zu Fuß nach Mosebacke und legte sich in die Wanne.
»Sein Name ist Alexander Zalatschenko«, erklärte Gunnar Björck. »Aber eigentlich gibt es ihn gar nicht. Sie finden ihn auch nicht beim Einwohnermeldeamt.«
Zala. Alexander Zalatschenko. Endlich ein Name.
»Wer ist er, und wie finde ich ihn?«
»Das ist niemand, den Sie wirklich finden wollen.«
»Glauben Sie mir, ich würde ihn furchtbar gerne treffen.«
»Was ich Ihnen jetzt erzählen werde, sind Angaben, die der Schweigepflicht unterliegen. Wenn herauskommt, dass ich Ihnen das erzählt habe, dann werde ich dafür verurteilt werden. Es ist eines der größten Geheimnisse in der schwedischen Landesverteidigung. Sie müssen verstehen, warum es so wichtig ist, dass Sie mir Quellenschutz gewähren.«
»Das habe ich bereits.«
»Sie sind doch alt genug, um sich an den Kalten Krieg zu erinnern?«
Mikael nickte. Komm zur Sache.
»Alexander Zalatschenko wurde 1940 in der Ukraine geboren, in der damaligen
Weitere Kostenlose Bücher