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Verdammnis

Verdammnis

Titel: Verdammnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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Sowjetunion. Als er ein Jahr alt war, wurde das ›Unternehmen Barbarossa‹ eingeleitet, die deutsche Offensive an der Ostfront. Zalatschenkos Eltern starben beide im Krieg. Zumindest glaubt er das. Er weiß selbst nicht, was im Krieg passiert ist. Seine frühesten Kindheitserinnerungen sind die von einem Kinderheim im Ural.«
    Mikael nickte, um zu zeigen, dass er der Geschichte folgte.
    »Das Kinderheim war in einer Garnisonsstadt und wurde von der Roten Armee finanziert. Man kann sagen, dass Zalatschenko schon sehr früh militärisch geschult wurde. Das waren damals ja die schlimmsten Jahre des Stalinismus. Nachdem die Sowjetunion zusammengebrochen ist, sind eine Menge Dokumente zum Vorschein gekommen, die zeigen, wo der Staat seine späteren Elitesoldaten rekrutierte. Er griff dabei auf verwaiste Kinder zurück, die vom Staat aufgezogen wurden. Zalatschenko war so ein Kind.«
    Mikael nickte wieder.
    »Um eine lange Biografie kurz zu machen: Als er fünf Jahre alt war, wurde er in eine Militärschule gesteckt. Wie sich herausstellte, war er sehr begabt. Mit 15 begann er auf einer Militärschule in Nowosibirsk, wo er zusammen mit zweitausend anderen Schülern drei Jahre lang einem Training unterzogen wurde, das sonst nur den russischen Elitestreitkräften vorbehalten war.«
    »Okay. Er war also ein tapferer Kindersoldat.«
    »1958, als er 18 war, wurde er nach Minsk geschickt und durchlief eine Spezialausbildung bei der GRU. Wissen Sie, was der GRU war?«
    »Ja.«
    »Ganz genau steht das für Glawnoje Razwedywatelnoje Uprawlenije , das ist der militärische Nachrichtendienst, der direkt dem höchsten Militärkommando der Armee unterstellt ist. Nicht zu verwechseln mit dem KGB, der zivilen Geheimpolizei.«
    »Ich weiß.«
    »In den James-Bond-Filmen sind die ausländischen Spione ja meistens vom KGB. In Wirklichkeit war der KGB jedoch hauptsächlich der innenpolitische Sicherheitsdienst des Regimes, der Gefangenenlager in Sibirien betrieb und Oppositionelle im Keller des Lubjanka-Gefängnisses mit Genickschuss hinrichtete. Für Spionage und Operationen im Ausland war meistens der GRU zuständig.«
    »Das wird ja die reinste Geschichtsstunde hier. Erzählen Sie weiter.«
    »Als Alexander Zalatschenko 20 war, wurde er zum ersten Mal ins Ausland geschickt. Er durfte nach Kuba reisen. Das war Teil des Trainingsprogramms, er war damals noch so eine Art Fähnrich. Er blieb zwei Jahre dort und erlebte die Kubakrise und die Invasion in der Schweinebucht.«
    »Okay.«
    »1963 war er wieder zurück und wurde in Minsk weiter ausgebildet. Danach stationierte man ihn erst in Bulgarien und dann in Ungarn. 1965 wurde er zum Leutnant befördert und wurde zum ersten Mal nach Europa geschickt, nach Rom, wo er zwölf Monate Dienst tat. Das war sein erster Auftrag under cover . Das heißt, er trat dort als Zivilperson auf, mit falschem Pass und ohne jeden Kontakt zur Botschaft.«
    Mikael nickte. Gegen seinen Willen faszinierte ihn die Geschichte langsam.
    »1967 wurde er nach London versetzt. Dort organisierte er die Liquidierung eines ausgestiegenen KGB-Agenten. In den nächsten zehn Jahren wurde er einer der Topagenten des GRU. Er gehörte zur echten Elite der loyalen politischen Soldaten. Er war von Kindesbeinen an dafür trainiert worden. Er sprach mindestens sechs Sprachen fließend, nahm die verschiedensten Rollen an, wurde zum Überlebenskünstler. Er befehligte selbst Agenten und organisierte eigene Operationen. Mehrere davon waren Mordaufträge, ziemlich viele davon in der Dritten Welt. 1969 wurde er Hauptmann, 1972 Major und 1975 Oberstleutnant.«
    »Wie ist er in Schweden gelandet?«
    »Dazu komme ich jetzt. Im Laufe der Jahre wurde er korrupt und schaffte hie und da ein bisschen Geld beiseite. Er trank zu viel und hatte zu viele Frauengeschichten. All das entging seinen Vorgesetzten natürlich nicht, aber er war immer noch einer ihrer Günstlinge, und sie waren nachsichtig, solange es sich um Bagatellen handelte. 1976 wurde er für einen Auftrag nach Spanien geschickt. Wir müssen nicht näher auf die Details eingehen, aber er ließ sich volllaufen und machte einen dummen Fehler. Damit war der Auftrag verpatzt, er fiel in Ungnade und wurde nach Russland zurückbeordert. Er entschied sich, den Befehl zu ignorieren und brachte sich damit natürlich in eine noch schlimmere Situation. Der GRU beauftragte einen Militärattaché der Botschaft in Madrid, ihn zu suchen und zur Vernunft zu bringen. Bei diesem Gespräch ging

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