Verdammnis
irgendwas gründlich schief, und Zalatschenko tötete den Mann. Plötzlich hatte er keine Wahl mehr. Er hatte alle Brücken hinter sich abgerissen und entschied sich überstürzt für einen Ausstieg.«
»Okay.«
»Er tauchte unter und legte eine Spur, die nach Portugal und eventuell zu einem Bootsunglück führte. Er legte auch eine Spur in die USA. Gleichzeitig beschloss er, sich ins unwahrscheinlichste Land in ganz Europa abzusetzen. In Schweden nahm er Kontakt mit der Sicherheitspolizei auf und bat um Asyl. Das war natürlich ziemlich schlau gedacht, denn die Wahrscheinlichkeit, dass eine Todespatrouille des KGB oder GRU ihn hier suchen würde, ging gegen null.«
Gunnar Björck schwieg.
»Und dann?«
»Was soll die Regierung tun, wenn ein sowjetischer Topspion plötzlich aussteigt und Schweden um politisches Asyl ersucht? Das war gerade der Zeitpunkt, als die Bürgerlichen an die Macht kamen. Es war sogar eine der ersten Angelegenheiten, die wir mit dem neu ernannten Ministerpräsidenten besprechen mussten. Diese politischen Feiglinge versuchten ihn natürlich möglichst schnell wieder loszuwerden, aber sie konnten ihn ja auch nicht in die Sowjetunion zurückschicken - das wäre ein unglaublicher Skandal geworden. Stattdessen versuchte man ihn in die USA oder nach England weiterzuschieben, aber Zalatschenko weigerte sich. Er mochte die USA nicht und meinte, in England habe die Sowjetunion Agenten bis hinauf in die höchsten Ränge des Nachrichtendienstes. Nach Israel wollte er auch nicht, er mochte keine Juden. Also hatte er beschlossen, sich in Schweden niederzulassen.«
Das Ganze klang so unwahrscheinlich, dass Mikael sich vage fragte, ob Gunnar Björck ihn auf den Arm nahm.
»Er blieb also in Schweden?«
»Genau.«
»Und das ist nie bekannt geworden?«
»Das war jahrelang eines der bestgehüteten militärischen Geheimnisse. Die Sache war ja auch die, dass wir großen Nutzen von Zalatschenko hatten. Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre war er das Kronjuwel unter den Überläufern, auch im internationalen Vergleich. Nie zuvor war einer der operativen Chefs des GRU übergelaufen.«
»Er konnte also Informationen verkaufen.«
»Richtig. Er spielte seine Karten gut aus und dosierte die Informationen so, wie sie ihm am meisten nutzten. Genug Informationen, um einen Agenten im NATO-Hauptquartier in Brüssel zu identifizieren. Einen illegalen Agenten in Rom. Einen Kontaktmann in einem Spionagering in Berlin. Die Namen von Auftragsmördern, die er in Ankara oder Athen angeheuert hatte. Er wusste nicht besonders viel über Schweden, aber dafür besaß er Informationen über Operationen im Ausland, die wir stückweise herausgeben konnten, um entsprechende Gegenleistungen einzufordern. Er war eine Goldgrube.«
»Mit anderen Worten, Sie haben angefangen, mit ihm zusammenzuarbeiten.«
»Wir verschafften ihm eine neue Identität. Wir mussten ihm nur einen Pass und ein bisschen Geld stellen, um den Rest kümmerte er sich selbst. Genau, wie er es gelernt hatte.«
Mikael schwieg und verdaute die Informationen. Dann hob er den Blick und sah Björck an.
»Letztes Mal, als ich hier war, haben Sie mich angelogen.«
»Ach ja?«
»Sie haben behauptet, Sie hätten Bjurman zum ersten Mal in den 80er-Jahren im Schützenverein der Polizei getroffen. Dabei haben Sie ihn schon viel früher kennengelernt.«
Björck nickte nachdenklich.
»Das war eine ganz automatische Reaktion. Das Ganze ist geheim, und ich hatte keinen Grund, genauer zu erklären, wie Bjurman und ich uns kennengelernt haben. Erst als Sie nach Zala fragten, wurde mir die Verbindung klar.«
»Erzählen Sie, was passiert ist.«
»Ich war 33 Jahre alt und arbeitete schon seit drei Jahren für die Sicherheitspolizei. Bjurman war 26 und hatte gerade sein Examen gemacht. Er hatte bei der Sicherheitspolizei eine Stelle als Sachbearbeiter für gewisse juristische Angelegenheiten bekommen. Bjurman kommt aus Karlskrona, sein Vater hat beim militärischen Nachrichtendienst gearbeitet.«
»Und?«
»Bjurman und ich waren eigentlich beide nicht qualifiziert genug, um die Zalatschenko-Sache zu betreuen, aber er nahm ja genau am Wahltag 1976 Kontakt mit uns auf. Es war kaum ein Mensch im Hause - entweder sie hatten sich freigenommen, oder sie waren im Dienst, irgendein Überwachungsauftrag oder so. Und genau in dem Moment marschiert Zalatschenko in die Polizeiwache Norrmalm und erklärt, er beantrage politisches Asyl und wolle mit jemandem von der Sicherheitspolizei
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