Verdammnis
und hatte Rückenschmerzen, doch im Großen und Ganzen war sie zufrieden mit diesem Tag und mit dem Leben im Allgemeinen.
Nachdem sie eine Weile versucht hatte, sich selbst den Nacken zu massieren, stellte sie fest, dass sie eine Dusche gut gebrauchen konnte. Sie erwog zuerst, die kleine Duschkabine in der Kammer zu benutzen, aber dann fühlte sie sich doch zu träge und legte stattdessen nur die Füße auf den Schreibtisch. In drei Monaten wurde sie 45, und die viel diskutierte »Zukunft« lag immer mehr hinter ihr. An den Augen und um den Mund hatte sich ein feines Netz aus Fältchen und Linien gebildet, aber sie wusste, dass sie immer noch gut aussah. Jede Woche ging sie zweimal ins Fitnessstudio und absolvierte ein beinhartes Programm, aber sie merkte, dass es ihr immer schwerer fiel, den Mast hochzuklettern, wenn sie mit ihrem Mann segeln ging. Da Greger nicht schwindelfrei war, musste sie im Bedarfsfall die Kletterei übernehmen.
Erika stellte außerdem fest, dass ihre ersten 45 Jahre trotz einiger »ups and downs« recht glücklich verlaufen waren. Sie hatte Geld, Prestige, eine herrliche Wohnung und einen Job, den sie liebte. Sie hatte einen sensiblen Mann, der sie liebte und in den sie nach fünfzehn Jahren Ehe immer noch verliebt war. Und obendrein einen bequemen und anscheinend unverwüstlichen Liebhaber, der sie zwar nicht seelisch, ganz gewiss aber körperlich befriedigte, wenn ihr danach war.
Sie lächelte, als sie an Mikael Blomkvist dachte. Sie fragte sich, wann er wohl den Mut aufbringen würde, sie in seine geheime Liebschaft mit Harriet Vanger einzuweihen. Weder Mikael noch Harriet hatten auch nur ein Sterbenswörtchen über ihr Verhältnis verlauten lassen, aber Erika war schließlich auch kein heuriger Hase. Dass da irgendetwas im Gange war, hatte sie auf einer Führungskreissitzung im August bemerkt, als ihr ein Blick zwischen Mikael und Harriet aufgefallen war. Aus reinem Mutwillen hatte sie abends probiert, Harriet und Mikael auf ihren Handys anzurufen, und wenig überrascht festgestellt, dass beide ihr Telefon ausgeschaltet hatten. Das war natürlich kein endgültiger Beweis, doch auch nach der nächsten Führungskreissitzung konnte sie feststellen, dass Mikael am Abend nicht zu erreichen war. Es war fast schon amüsant, wie schnell sich Harriet beim Abendessen nach der Jahresabschlusssitzung aus der Runde verabschiedete - mit der vagen Begründung, sie müsse ins Hotel und sich schlafen legen. Erika spionierte ihnen nicht nach und war auch nicht eifersüchtig. Doch sie nahm sich vor, die beiden bei passender Gelegenheit damit aufzuziehen.
Sie mischte sich niemals in Mikaels Frauengeschichten ein, hoffte aber, dass seine Affäre mit Harriet keine Probleme im Unternehmen schaffen würde. Doch das war kaum zu befürchten. Mikael war mit den meisten Frauen, mit denen er einmal ein Verhältnis gehabt hatte, immer noch gut befreundet, und nur in wenigen Fällen hatte es hinterher Schwierigkeiten gegeben.
Erika Berger selbst war unsagbar froh, Mikaels Freundin und Vertraute zu sein. In mancher Hinsicht war er ein wenig schwer von Begriff, in anderer Hinsicht aber wieder so hellsichtig wie ein Orakel. Mikael wiederum hatte niemals ihre Liebe zu ihrem Mann verstehen können. Es ging ihm nicht in den Kopf, warum sie Greger so faszinierend fand, so warmherzig, spannend und großzügig. Vor allem war Greger völlig frei von vielen unangenehmen Angewohnheiten, die sie bei Männern zutiefst verabscheute. Greger war der Mann, mit dem zusammen sie alt werden wollte. Sie hatte auch Kinder mit ihm haben wollen, doch es hatte nicht geklappt, und jetzt war es zu spät. Doch was die Wahl ihres Lebensgefährten betraf, hätte sie sich keine bessere und stabilere Alternative denken können - ein Mensch, dem sie vorbehaltlos vertraute und der immer für sie da war, wenn sie ihn brauchte.
Mikael war ganz anders. Er war ein Mann, dessen Charakterzüge so veränderlich waren, dass man ihn manchmal für eine multiple Persönlichkeit halten konnte. Beruflich war er stur und verbiss sich fast krankhaft in seine Aufgabe. Er machte sich an eine Story und arbeitete sich bis zu dem Punkt vor, an dem sie perfekt war und alle losen Fäden zusammenliefen. In Hochform war er brillant und ansonsten immer noch um Längen besser als der Durchschnitt. Er schien über eine intuitive Begabung zu verfügen, das Potenzial einer großen Story zu wittern. Erika Berger hatte noch nie bereut, dass sie mit Mikael
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