Verdammnis
zeichnete Lisbeth verantwortlich. Sie saß auf einem Hocker und betrachtete nachdenklich die nackte Wohnung, aus der die Gardinen, Teppiche, die Rabattmarken auf dem Kühlschrank und ihr gewohnter Gerümpelhaufen im Flur auf magische Weise verschwunden waren. Sie staunte, wie groß die Wohnung auf einmal wirkte.
Miriam Wu und Lisbeth Salander hatten in jeder Hinsicht einen unterschiedlichen Geschmack. Besser gesagt: Miriam hatte Geschmack und klare Vorstellungen, wie ihre Wohnung aussehen sollte. Lisbeth hingegen hatte überhaupt keinen Geschmack, fand Mimmi.
Nachdem sie zu Lisbeth gekommen war, um ihre Wohnung in der Lundagatan mit Spekulantenaugen in Augenschein zu nehmen, hatten sie eine Weile hin und her diskutiert. Mimmi hatte schließlich verlangt, dass das meiste aus der Wohnung verschwinden musste, besonders dieses elende kackbraune Sofa aus dem Wohnzimmer. Ob Lisbeth irgendetwas behalten wolle? Nein . Danach hatte Mimmi sich zwei Wochen lang von früh bis spät damit beschäftigt, alte Möbel wegzuschaffen, Schränke sauber zu machen, die Badewanne zu schrubben, die Wände in Küche, Wohnzimmer und Flur neu zu streichen und das Parkett zu lackieren.
Lisbeth hatte kein Interesse an derartigen Tätigkeiten, war aber ab und zu vorbeigekommen, um Mimmi fasziniert zu beobachten. Schließlich war die Wohnung leer bis auf einen kleinen, ramponierten Küchentisch aus Massivholz, den Mimmi abschleifen und neu streichen wollte, zwei stabile Hocker, die Lisbeth sich einmal geschnappt hatte, als man den Dachboden des Hauses entrümpelte, sowie ein robustes Regal im Wohnzimmer, mit dem Mimmi vielleicht noch etwas anfangen konnte.
»Am Wochenende ziehe ich ein. Bist du sicher, dass du das nicht irgendwann bereust?«
»Ich brauche die Wohnung nicht.«
»Aber das ist doch eine Bombenwohnung. Ich meine, es gibt sicher größere und bessere, aber sie liegt mitten in Söder, und die Miete ist ein Witz. Lisbeth, du lässt dir ein Vermögen entgehen, wenn du sie nicht verkaufst.«
»Ich habe genug Geld.«
Mimmi schwieg. Sie wusste nicht, wie sie Lisbeths einsilbige Kommentare deuten sollte.
»Und wo willst du wohnen?«
Lisbeth antwortete nicht.
»Darf man dich da mal besuchen?«
»Im Moment nicht.«
Lisbeth öffnete ihre Umhängetasche und zog ein Papier heraus, das sie Mimmi gab.
»Ich habe das mit dem Vertrag bei der Hausverwaltung geregelt. Das Einfachste ist, dich als meine Partnerin einzutragen, der ich die Hälfte der Wohnung verkaufe. Die Kaufsumme beläuft sich auf eine Krone. Du musst den Vertrag nur noch unterschreiben.«
Mimmi nahm den Kugelschreiber und unterschrieb mit Namen und Datum.
»Ist das alles?«
»Das ist alles.«
»Lisbeth, ich habe an und für sich schon immer gefunden, dass du ein bisschen verrückt bist, aber ist dir klar, dass du mir gerade die Hälfte dieser Wohnung geschenkt hast? Ich möchte gerne eine Wohnung, aber ich möchte nicht, dass du es eines Tages bereust und es dann Ärger zwischen uns gibt.«
»Es wird keinen Ärger geben. Ich möchte, dass du hier wohnst. Mir geht es gut damit.«
»Aber gratis? Ohne Entschädigung? Du bist doch nicht ganz richtig im Kopf.«
»Du kümmerst dich um meine Post. Das ist die Bedingung.«
»Die mich wahrscheinlich vier Sekunden pro Woche kostet. Kommst du zumindest ab und zu mal vorbei, um Sex mit mir zu haben?«
Lisbeth fixierte Mimmi. Sie schwieg eine Weile.
»Gerne, aber das gehört nicht zum Vertrag. Du kannst jederzeit Nein sagen, wenn du willst.«
Mimmi seufzte.
»Wo ich doch grade anfing, mich wie eine kept woman zu fühlen. Du weißt schon, ich kriege eine Wohnung, jemand zahlt meine Miete und schleicht sich ab und zu hierher, um sich mit mir im Bett zu vergnügen.«
Sie blieben ein Weilchen schweigend sitzen. Dann stand Mimmi auf, ging ins Wohnzimmer und schaltete die nackte Deckenlampe ein.
»Komm her.«
Lisbeth folgte ihr.
»Ich habe noch nie Sex auf dem Boden einer frisch gestrichenen Wohnung gehabt, in der keine Möbel stehen. Kennst du den Film mit Marlon Brando in Paris? Die haben das gemacht.«
Lisbeth warf einen Blick auf den Boden.
»Ich will spielen. Hast du Lust?«
»Ich hab fast immer Lust.«
»Heute Abend will ich das dominante Luder spielen. Ich geb die Befehle. Zieh dich aus.«
Lisbeth lächelte schief. Sie zog sich aus, was mindestens zehn Sekunden dauerte.
»Leg dich auf den Boden. Auf den Bauch.«
Lisbeth tat, was Mimmi befohlen hatte. Das Parkett war kühl, und sie bekam sofort eine Gänsehaut.
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