Verdammnis
bevor sie vor der Wohnung in der Fiskargatan ihren Zahlencode eingab. Zu Hause stellte sie eine von den Speckquiches in die Mikrowelle und trank ein wenig Milch direkt aus der Packung. Dann warf sie die Kaffeemaschine an, setzte sich vor ihren Computer, wo sie auf Asphyxia 1.3 klickte und sich in die Kopie von Bjurmans Festplatte einloggte. Die nächste halbe Stunde verbrachte sie damit, sehr sorgfältig den Inhalt seines Computers durchzugehen.
Sie fand absolut nichts, was für sie von Interesse gewesen wäre. Bjurman schien nur selten E-Mails zu schreiben, sie fand bloß ein Dutzend kurze, persönliche Nachrichten an oder von Bekannten. Keine der Mails stand irgendwie mit Lisbeth Salander in Verbindung.
Sie fand einen neu angelegten Ordner mit Hardcore-Pornobildern, die darauf schließen ließen, dass er sich immer noch für Frauen interessierte, die sadistischen Erniedrigungen ausgesetzt waren. Technisch gesehen stellte das aber keinen Verstoß gegen ihre Regel dar, dass er keinen Kontakt mit Frauen pflegen durfte.
Sie öffnete den Ordner mit den Dokumenten, die Bjurmans Betreueraufgaben für Lisbeth Salander betrafen, und las sorgfältig alle Monatsberichte durch. Sie entsprachen bis aufs i-Tüpfelchen den Kopien, die er getreu ihrer Anweisung regelmäßig an eine ihrer vielen Hotmail-Adressen schickte.
Alles völlig normal.
Oder doch nicht? Als sie sich die Eigenschaften dieser Word-Dateien ansah, konnte sie feststellen, dass er die Briefe immer zu Anfang des Monats verfasste, jedem von ihnen durchschnittlich vier Stunden widmete und sie pünktlich am 20. jedes Monats an das Vormundschaftsgericht sandte. Jetzt war schon Mitte März, und er hatte die Arbeit am nächsten Bericht noch nicht begonnen. Schlamperei? Spät dran? Mit anderen Dingen beschäftigt? Dummheiten im Kopf? Auf Lisbeth Salanders Stirn bildete sich eine Falte.
Sie machte ihren Computer aus, setzte sich aufs Fensterbrett und öffnete das Zigarettenetui, das sie von Mimmi bekommen hatte. Sie steckte sich eine Zigarette an und blickte hinaus in die Dunkelheit. Sie hatte Bjurmans Überwachung vernachlässigt. Er ist aalglatt .
Sie spürte wachsende Besorgnis. Zuerst Kalle Fucking Blomkvist, dann der Name Zala und nun auch noch Nils Der Beschissene Lustmolch Bjurman in Gesellschaft eines anabolikastrotzenden Alphamännchens mit Kontakten zu Outlaw-Klubs. Im Laufe weniger Tage hatte es mehrere Störungen in dem geordneten Dasein gegeben, das Lisbeth Salander sich aufzubauen versuchte.
Um halb drei Uhr nachts stand Lisbeth Salander vor der Tür zu Nils Bjurmans Wohnung in der Upplandsgatan, in der Nähe des Odenplan. Vorsichtig klappte sie den Briefschlitz auf und schob ein extrem empfindliches Mikrofon hindurch, das sie im Counterspy Shop in Mayfair in London gekauft hatte. Sie hatte noch nie von Ebbe Carlsson gehört, aber der hatte seine berühmte Abhöranlage, die den schwedischen Justizminister Ende der 80er-Jahre überstürzt zum Rücktritt gezwungen hatte, ebenfalls hier gekauft. Lisbeth positionierte den Kopfhörer richtig und stellte die Lautstärke ein.
Zunächst hörte sie nur das dumpfe Brummen eines Kühlschranks und das deutliche Ticken mindestens zweier Uhren, von denen eine an der Wohnzimmerwand links neben der Tür hing. Lisbeth justierte noch einmal die Lautstärke und horchte mit angehaltenem Atem. Sie hörte Knacken und Rauschen aus der Wohnung, aber kein Geräusch, das auf menschliche Aktivität deutete. Sie brauchte eine Minute, bis sie das schwache Geräusch seiner regelmäßigen Atemzüge hören und von den anderen Geräuschen unterscheiden konnte.
Nils Bjurman schlief.
Sie zog das Mikrofon wieder heraus und steckte es in die Innentasche ihrer Lederjacke. Sie trug eine dunkle Jeans und Sportschuhe mit Gummisohlen. Lautlos schob sie den Schlüssel ins Schloss und drückte die Tür einen Spalt weit auf. Bevor sie sie ganz öffnete, zog sie eine Elektroschockpistole aus der Tasche. Sie hatte keine andere Waffe mitgenommen. Um mit Bjurman fertig zu werden, musste sie kein größeres Geschütz auffahren, fand sie.
Sobald sie im Flur stand, schloss sie die Tür hinter sich und schlich auf Zehenspitzen zu seinem Schlafzimmer. Als sie dort ein Licht sah, hielt sie abrupt inne, aber nun konnte sie ihn schon schnarchen hören. Also schlich sie weiter. Er hatte eine brennende Lampe im Fenster stehen. Was denn, Bjurman? Angst vor der Dunkelheit?
Sie stellte sich neben sein Bett und betrachtete ihn ein paar Minuten. Er war
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