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Verdammnis

Verdammnis

Titel: Verdammnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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eingezogen war, ob sie sich einen Freund zugelegt oder die Wohnung einfach untervermietet hatte. Als er an die Tür klopfte, machte niemand auf.
    Schließlich setzte er sich hin und schrieb ihr wie in der guten alten Zeit einen Brief.
    Liebe Sally, ich weiß nicht, was letztes Jahr vorgefallen ist, aber mittlerweile hat sogar ein begriffsstutziger Idiot wie ich kapiert, dass Du den Kontakt zu mir abgebrochen hast. Es ist Dein gutes Recht, selbst zu entscheiden, mit wem Du zu tun haben willst, und ich beschwere mich nicht. Ich möchte Dir nur sagen, dass ich Dich noch immer als eine Freundin betrachte, dass ich Deine Gesellschaft vermisse und gerne einen Kaffee mit Dir trinken würde, wenn Du Lust hast.
    Ich weiß nicht, in was Du gerade wieder verstrickt bist, aber dieser Tumult in der Lundagatan hat mir Sorgen gemacht. Solltest Du Hilfe brauchen, kannst Du mich jederzeit anrufen. Wie wir alle wissen, stehe ich zutiefst in Deiner Schuld. Außerdem habe ich Deine Tasche. Wenn Du sie zurückhaben willst, brauchst Du Dich bloß zu melden. Wenn Du mich nicht treffen willst, kannst Du mir einfach eine Adresse nennen, an die ich sie schicken kann. Ich werde Dich bestimmt nicht mehr aufsuchen, nachdem Du mir so deutlich zu verstehen gegeben hast, dass Du nichts mehr mit mir zu tun haben willst.
     
    Mikael
    Natürlich hatte er nichts von ihr gehört.
    Als er am Morgen nach dem Überfall in der Lundagatan nach Hause kam, hatte er den Inhalt ihrer Tasche auf dem Küchentisch ausgebreitet. Eine Brieftasche mit einem Ausweis von der Post, ungefähr 600 Kronen und 200 Dollar in bar sowie eine Monatskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel in Stockholm. Außerdem eine angebrochene Schachtel Marlboro Light, drei Bic-Feuerzeuge, eine Schachtel Halsbonbons, eine offene Packung Papiertaschentücher, eine Zahnbürste, Zahnpasta und drei Tampons in einem Seitenfach, eine ungeöffnete Packung Kondome mit einem Plastiketikett, auf dem »Gatwick Airport« stand, ein Notizbuch mit steifem, schwarzem Einband im DIN-A5-Format, fünf Kugelschreiber, eine Tränengaspatrone, ein kleines Täschchen mit Lippenstift und Make-up, ein FM-Radio mit Kopfhörern, allerdings ohne Batterien, und das Aftonbladet vom Vortag.
    Der faszinierendste Gegenstand in der Tasche war jedoch ein Hammer, der leicht greifbar in einer Außentasche verstaut war. Die Attacke war jedoch so überraschend gekommen, dass Lisbeth weder Hammer noch Tränengas hatte einsetzen können. Offensichtlich hatte sie ihre Schlüssel als Schlagring benutzt - es befanden sich nämlich noch Spuren von Blut und Haut daran.
    Ihr Schlüsselbund bestand aus sechs Schlüsseln. Drei davon waren typische Wohnungsschlüssel - Hausschlüssel, Wohnungsschlüssel und Schlüssel für das Sicherheitsschloss. Sie passten jedoch nicht an der Wohnungstür in der Lundagatan.
    Mikael hatte das Notizbuch aufgeschlagen und Seite für Seite durchgeblättert. Er erkannte ihre ordentliche, zierliche Handschrift wieder und konnte feststellen, dass es sich bei diesem Büchlein nicht um das heimliche Tagebuch eines Mädchens handelte. Ungefähr drei Viertel der Seiten waren mit mathematischen Notizen gefüllt. Ganz oben auf der ersten Seite stand eine Gleichung, die sogar Mikael kannte:
    a 3 + b 3 = c 3 .
    Mikael Blomkvist hatte nie Probleme mit dem Rechnen gehabt. Das Gymnasium hatte er mit der Bestnote in Mathematik abgeschlossen, was aber nicht bedeutete, dass er ein guter Mathematiker war, sondern nur, dass er anwenden konnte, was er in den Schulstunden gelernt hatte. Aber die Seiten in Lisbeths Buch enthielten Gekritzel von der Sorte, die Mikael nicht begriff und nicht einmal versuchen wollte zu begreifen. Eine Gleichung erstreckte sich über eine ganze Doppelseite. Überall hatte Lisbeth etwas wieder durchgestrichen oder geändert. Er konnte kaum erkennen, ob es sich dabei überhaupt um ernst gemeinte Formeln und Berechnungen handelte, aber da er mit Lisbeths Eigenheiten vertraut war, nahm er an, dass die Gleichungen korrekt waren und sicherlich auch irgendeine konkrete Bedeutung besaßen.
    Er blätterte lange vor und zurück. Die Gleichungen waren ihm ebenso verständlich, als hätte man ihm ein Heft mit chinesischen Schriftzeichen in die Hand gedrückt. Aber er begriff, was sie versucht hatte. a 3 + b 3 = c 3 . Fermats Rätsel hatte sie in seinen Bann gezogen, ein Klassiker, von dem sogar ein Mikael Blomkvist schon mal gehört hatte. Er stieß einen tiefen Seufzer aus.
    Die allerletzte Seite enthielt ein

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