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Verdammt feurig

Verdammt feurig

Titel: Verdammt feurig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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sich heiser an, wie fast immer morgens. »Ich hatte was im Auge.«
    »Ja, sicher. Natürlich hast du geheult!«
    »Hab ich etwa geschluchzt und getobt und gezetert, so wie deine Mama, wenn ihr wieder mal das Essen misslingt?«
    »Es gibt verschiedene Arten von Heulen«, berichtigte ich ihn. »Dein Heulen war Heulen vor Rührung, denke ich.«
    »Oh, Luzie, die Heulexpertin«, sagte er mit ätzendem Unterton. »Weil du ja auch soooo oft weinst. Wie ein echtes Mädchen eben.«
    Ich heulte wirklich nicht sehr häufig. Aber wenn, dann richtig. Das letzte Mal hatte ich geheult, als Leander mir das Kinodate mit Seppo versaut hatte. Doch an dem Tag war ich ja auch krank gewesen. Und Leander hatte es nicht mitbekommen, weil ich ihn kurz vorher vertrieben hatte.
    »Tja, offensichtlich bist du hier das Mädchen«, entgegnete ich. »Leander, die Heulsuse.«
    Leander schnaubte nur und begann, Kekskrümel vom Boden zu picken und auf mich zu werfen. Die Dielen neben seinem Schlafplatz waren gesprenkelt von Kekskrümeln. In der Ecke stand außerdem ein halb aufgegessener Joghurt. Der Löffel klebte an der Tapete. Ständig musste ich hinter Leander herräumen, damit seine Esserei nicht auffiel.
    Ich blieb still liegen, während Leander eingeschnappt vor sich hin schnaufte, und hörte zu, wie Mama und Papa in der Küche rumorten und zwischendurch Oma Annis helle Stimme durch die Wohnung schallte. Es hörte sich an, als würde sie gleichzeitig singen und beten und jubeln. Wahrscheinlich hatte sie irgendwo einen kleinen Altar aufgebaut und rief die kosmischen Kräfte herbei.
    »Warum hat sie dich eigentlich gespürt?«, fragte ich. Leander hörte auf zu schnaufen und sah mich wieder an.
    »Sie hat es ja nur geahnt … Sehr alte Menschen hören und sehen manchmal mehr als die jungen Menschen. Ich glaube, ihr sagt dann, sie seien senil. Sie erinnern sich die meiste Zeit an Dinge, die ganz früher passiert sind, und nehmen die Gegenwart kaum mehr wahr. Sie tun das, weil die Erinnerungen sie glücklich machen, aber die jungen Menschen wollen das nicht und geben ihnen Medikamente, damit sie wieder im Hier und Jetzt leben. Dabei spüren sie oft viel mehr als ihr.«
    Das war etwas zu viel Input so früh am Morgen. Trotzdem hakte ich nach.
    »Heißt das also, Anni hat wirklich etwas gemerkt von dir?«
    »Klar«, sagte Leander schulterzuckend. »Sie weiß natürlich nicht, was es ist, was sie spürt. Aber spätestens wenn der Meister der Zeit sie holt …« Er brach ab und biss sich auf die Lippen. »Alte Menschen wissen mehr, als ihr ahnt. Ihr haltet sie für verrückt oder steckt sie in Pflegeheime. Aber sie sind nicht verrückt. Sie sind nur nicht mehr ganz hier. Sie sind schon ein bisschen dort. Und sie warten auf ihren Wächter.«
    Ich verstand nichts – wie so oft, wenn Leander von Sky Patrol berichtete. Ich fühlte nur etwas, und das, was ich fühlte, gefiel mir nicht. Nein, es gefiel mir gar nicht.
    »Heißt das etwa, Anni wird sterben?«
    »Entspann dich, Luzie. Klar wird sie bald geholt, sie ist alt.«
    »Was meinst du mit bald?« Ich merkte, dass meine Stimme zitterte, und schluckte mehrmals, weil ich das Gefühl hatte, plötzlich keine Luft mehr zu bekommen.
    »So in zehn, fünfzehn Jahren.«
    »Das ist für dich bald?«, rief ich aufatmend und schlug vor Erleichterung meine Decke zurück, obwohl es immer noch bitterkalt im Zimmer war. Ich wollte nicht mehr länger im Bett bleiben und schwierige Gespräche mit Leander führen. Oma Anni würde noch zehn Jahre leben. Das war alles, was ich in diesem Moment wissen musste.
    »Bei uns sind zehn Jahre bald, ja«, meinte Leander und rieb sich gähnend die Oberarme. Ich warf ihm sein Elchshirt zu und wie jeden Morgen gingen wir gemeinsam ins Bad. Offiziell duschte ich neuerdings morgens und abends. In der Welt meiner Eltern. In meiner Welt sah es so aus: Morgens duschte Leander und ich saß nebendran, schaute die Kacheln an und wurde langsam wach. Abends duschte ich – allein natürlich.
    Nachdem wir endlich fertig waren, setzte ich mich noch einmal auf mein Bett, um meine Geschenke anzusehen. Gestern hatte ich ständig auf Leander geachtet und mich kaum damit beschäftigen können. Was ich mit dem Glätteisen in Metallicpink anfangen sollte, wusste ich noch nicht. Meine Haare waren zu kurz, um sie zu glätten. Außerdem wollte ich sie nicht glätten. Der Gutschein von Papa war schon besser – ich durfte mir bei Ikea ein Sofa aussuchen. »Mädchen brauchen Sofas«, hatte Mama

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