Verdammt feurig
schmalen Augen.
»Bist immer noch nicht gewachsen, was?«, stellte sie schließlich belustigt fest und brach in ein gekünsteltes Lachen aus. Sie packte ein kleines Täschchen aus ihrer Handtasche und begann, sich vor dem Spiegel die zum Schmollmund gespitzten Lippen nachzuziehen.
Ich stellte mich neben sie, lächelte sie bewundernd an, bis sie schließlich von oben herab zurücklächelte, und drehte mit Schwung den Wasserhahn auf. Mein Vorteil war, dass ich die Pizzeria besser kannte als sie, denn ich war jede Woche hier. Und im Gegensatz zu Silvana wusste ich, dass dieser Wasserhahn seit drei Wochen defekt war. Das Wasser lief nicht nach unten, sondern spritzte schräg seitlich empor – und zwar genau in Silvanas Gesicht.
»Iiiih!«, kreischte sie und stieß mich grob zur Seite. Ihre Haare klebten klatschnass an ihrem Ohr und ihre Wimperntusche lief in dunklen Schlieren über die Wangen.
»Oooh, entschuldige, Silvana«, flötete ich. »Tut mir leid, das wusste ich nicht. Ich bin doch noch so klein.«
»Du – du mieses, gemeines rothaariges Aas! Totengräberassis seid ihr, sonst nix!«, keifte sie, doch ich befand mich schon auf dem Weg nach draußen. Jetzt war ich in der Stimmung, mit Seppo zu reden. Und ich bekam auch wieder gut Luft. Doch leider war Seppo nicht in der Stimmung, mit mir zu reden. Es gab nur ein »Hi, Luzie« und ein Grinsen, dann wandte er sich seinem Bruder zu, redete mit ihm über Fußball, machte viele Espressi, obwohl keiner welche trinken wollte, polierte die Bar und die Regale und sämtliche Gläser, und dann hatte ich keine Lust mehr, neben ihm rumzustehen, und ging rüber zu meinen Eltern. Seppo konnte mich mal.
»Da ist ja mein großes Mädchen!«, rief Mama so laut, dass die Leute sich nach uns umdrehten. Kichernd zog sie mich an sich und zerrte mich auf ihren Schoß.
»Mama, du tust mir weh …«
»Sie wird jetzt langsam erwachsen!«, posaunte Mama in den Gastraum und es wurde noch ein bisschen stiller. Jetzt schaute auch Seppo zu uns herüber. Sogar Gianna Nannini war kurz verstummt. »Mein kleines Mädchen kommt in die Pubertät!«, setzte Mama stolz hinterher und jauchzte auf.
»Oh Mama …«, seufzte ich und versuchte, mich aus ihrem Würgegriff zu befreien. »Mama, lass mich los, bitte. Papa, kannst du nicht irgendwas machen?«
»Bowle«, sagte Papa nur bedeutungsvoll und zeigte auf ein leeres Glas.
»Warum hast du sie nicht davon abgehalten?«, fragte ich vorwurfsvoll und bog Mamas Finger einzeln auseinander, um ihre Hände zu lösen und von meinem Bauch ziehen zu können. Doch sie summte nur glücklich vor sich hin und legte ihren schweren Kopf auf meinen Rücken. Papa hob entschuldigend die Schultern.
»Sie war schneller. Du kennst sie doch. Was sie in den Händen hat, gibt sie nicht wieder her.«
Ja. Zum Beispiel mich. Mama hatte einen Schwips, und wenn sie einen Schwips hatte, wollte sie immerzu knuddeln und schmusen. Ich musste sie kitzeln, damit sie mich losließ, und wieder schauten alle her, weil Mamas Kichern sich anhörte wie das Kreischen einer erbosten Elster.
Ich floh zurück zu Seppo, doch bevor ich mich neben ihn stellen konnte, hatte Silvana sich zwischen uns geschoben und lächelte mich gönnerhaft an.
»So, so, die kleine Luzie kommt in die Pubertät … Sieht man aber nicht.« Sie glotzte so auffällig auf meine Brust, dass auch Seppo automatisch hinguckte.
»Du hast Lippenstift auf den Zähnen«, konterte ich, und als sie anfing, mit den Fingern in ihrem Mund herumzuwischen, gab ich ihrer Hand einen kräftigen Schubs.
»Au!«, schrie sie empört.
»Und jetzt hast du Lippenstift im Gesicht«, grinste ich.
»He, he, he, Luzie, benimm dich mal«, wies Seppo mich zurecht. »Es ist Silvester. Hört auf, euch anzugiften.«
Ich kletterte auf einen Barhocker und ließ ihn so weit zurückkippen, dass ich mich auf seinen hinteren zwei Füßen balancierend gegen die Wand lehnen konnte. Das war ein guter Platz. Zwischen der Bar und Seppo. Nun musste ich nur noch Silvana vertreiben. Aber wie?
»Wollen wir tanzen, Giusi?«, fragte Silvana Seppo, nachdem sie frisch geschminkt aus der Toilette zurückgekehrt war.
»Der kann doch nicht tanzen …«, lachte ich.
»Klar«, sagte Seppo, ohne mich zu beachten, und ließ sich von Silvana in die Mitte der Gaststube ziehen, wo Mama ihre Schraubzwingen um Papas Schultern gewickelt hatte und ihn schwungvoll nach links und rechts schob. Seine Füße berührten kaum mehr den Boden.
Und Seppo konnte tatsächlich
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