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Verdammt feurig

Verdammt feurig

Titel: Verdammt feurig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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auch auf Mama, weil sie alles mitbekam und immer über jede Kleinigkeit mit mir reden musste, und ja, ich war sogar wütend auf Papa, weil er nachts die Heizung ausstellte. Und ich war wütend auf Seppos Mutter, weil sie glaubte, dass meine Eltern schlecht für mich sorgten. Auf alle war ich wütend.
    Als die Kerzen brannten, ließ ich Leander in die Wohnung, ging auf mein Zimmer, knallte die Tür zu, so laut ich konnte, und legte mich in mein Bett.
    Es dauerte lange, bis Leander alle Kerzen gelöscht hatte und zu mir kam. Ich schlief schon fast. Ich tat so, als würde ich ihn nicht bemerken. Er nahm sich sein Tuch aus den Haaren, wickelte es sich fest um den Hals und rollte sich neben mir auf dem Boden zusammen. Ihm musste jede Nacht furchtbar kalt sein da unten. Doch im Moment war mir das egal.
    »Wieder gut?«, fragte er leise.
    »Grmpf.«
    »Ich versteh das alles besser, als du denkst, Luzie.«
    Ich versuchte einen kleinen Schnarcher, doch er klang nicht echt. Außerdem redete Leander gerne und viel, wenn ich einschlief. Wahrscheinlich redete er sogar, wenn ich schlief.
    »Es bedrückt dich, dass du mit niemandem über mich sprechen kannst und niemandem erzählen kannst, dass ich da bin und warum du dich manchmal seltsam verhältst. Wir von Sky Patrol wissen, dass die Familie zusammenhalten muss und sich verstehen sollte, denn das ist gut für die Gesundheit. Sei nicht böse auf deine Mama. Vertragt euch.«
    Oh Gott, jetzt gibt er mir auch noch Ratschläge, dachte ich erbost. Und trotzdem brannten auf einmal Tränen in meinen Augen.
    »Weißt du, ich hab es noch schlechter. Ich kann mit niemandem reden außer mit dir. Meine Truppe interessiert sich einen Scheiß für mich. Sie hat mich verdammt! Vater und Mutter hecken etwas aus und ich weiß nicht, was …«, fuhr Leander nachdenklich fort, ohne sich darum zu kümmern, ob ich zuhörte oder nicht. »Ich kann nur mit dir reden und du – du hasst mich.«
    Eine meiner Tränen löste sich und sickerte heiß in mein Kopfkissen. Ich zog die Decke noch etwas höher.
    Nun begann Leander, französisch zu reden. Das tat er ab und zu. Er plapperte gedämpft auf Französisch vor sich hin und meistens konnte ich wunderbar dabei einschlafen, denn ich verstand fast nichts. Auch jetzt wurden meine Lider schwer und meine vor Wut geballten Fäuste öffneten sich. Dann fiel Leander wieder ins Deutsche. Seine Stimme war nur noch sehr leise, beinahe wie ein Flüstern.
    »Schwulsein ist übrigens nur eine Auswirkung eurer schlimmen Krankheit. Ja, es ist die schlimmste Krankheit, die ihr Menschen kriegen könnt. Die allerschlimmste, denn es gibt keine Heilung und keine Linderung. Ihr nennt sie Liebe.«
    Doch ich war schon fest eingeschlafen.

Chinaböller
    »Du bleibst also hier?«
    Eigentlich war es mehr eine Feststellung als eine Frage. Denn Leander saß mit sturem Blick auf der Fensterbank, als wäre er dort festgewachsen. Ja. Er würde hierbleiben.
    »Ich muss!«, erwiderte er zickig. »Dein haariger Affe hat tausend kleine Geschwister und wahrscheinlich auch tausend kleine Verwandte. Die vermehren sich ja wie die Karnickel. Ich bin trotzdem der Meinung, du solltest hierbleiben. Hier bei mir.«
    »Niemals.« Leander hatte den gesamten Vormittag auf mich eingeredet, um mich umzustimmen – Silvester sei sozusagen der Höhepunkt der weihnachtlichen Todesserien und mit Sicherheit der persönliche Lieblingstag vom Meister der Zeit. An Silvester drehten die Menschen völlig durch, behauptete Leander. Und ich erst recht. Fünf Mal zählte er mir in aller Ausführlichkeit auf, was ich bisher an Silvester Schlimmes angestellt hatte und wie schrecklich es ausgegangen wäre, wenn er sich nicht in letzter Sekunde dazwischengestürzt hätte. Natürlich unter Gefahr seines eigenen Lebens, wobei ich mich fragte, wie ein unsichtbares, körperloses Wesen überhaupt irgendetwas riskieren sollte oder konnte. Selbst wenn es wie vergangenes Silvester einen brennenden Chinaböller aus einem Briefkasten fischte. Darüber hatte ich mich sowieso geärgert. Es war mein letzter dicker Chinaböller gewesen und ich hatte ihn bei Bierlapp in den Geschäftsbriefkasten gequetscht. Doch dann floppte er plötzlich wieder heraus und verpuffte lautlos auf dem Boden. Fehlzündung. Nun wusste ich ja, wer mir den Spaß vermiest hatte. Leander war die Fehlzündung gewesen.
    Dieses Jahr wollte ich mir nichts vermiesen lassen. Ich spielte sogar mit dem Gedanken, wieder einen von den Krachern der Lombardis zu stibitzen,

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