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Verdammt feurig

Verdammt feurig

Titel: Verdammt feurig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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ich trotzdem versuchen, etwas wahrzunehmen, etwas zu erkennen. Und dazu das Luftblasengesicht aufsetzen. Was taten Billy und Serdan noch in diesen Momenten? Ah, auf den Boden spucken. Nein, das kam jetzt wohl weniger gut an. Ich war nur ein Mädchen, das nicht schlafen konnte. Und liebeskummergeplagte Mädchen spuckten sicher nicht auf den Boden.
    Nach und nach begann sich ein Bild zusammenzusetzen – und ich brauchte Geduld, denn die Gestalt hatte pulsierende, verschwommene Umrisse, die mich an eine der Amöben aus unserem letzten Biologiefilm erinnerten. Ein glitschiges, schwammiges Etwas. Gleichzeitig aber blieb sie auffällig ruhig; sie verließ ihre Position keine Sekunde, sondern verharrte exakt über dem Schreibtisch. Und sie hatte ein Gesicht – na ja, so etwas Ähnliches wie ein Gesicht. Es war nicht immer da, nur ab und zu, aber es veränderte sich nicht. Und es sah so langweilig aus, dass ich beinahe gähnen musste. Ein schmaler, ernster Mund, eine gerade Nase, kurze, an den Kopf geklebte und streng gescheitelte Haare, eine Nickelbrille und ein vorstehendes Kinn. Die Lider waren niedergeschlagen. Und trotzdem fühlte ich mich ununterbrochen beobachtet, selbst als ich meine Augen weiterwandern ließ und stur die Maserungen in meinem Kleiderschrank anstarrte. Ich spürte diesen Wächter. Ich spürte ihn, obwohl er mich nicht anschaute.
    Und ich konnte ihn noch weniger leiden, als ich Leander hatte leiden können. Das wusste ich sofort. Er war mir zu schwammig und er kümmerte sich kein bisschen um mich! Er sagte nichts, beschwerte sich nicht, jammerte nicht, flirrte nicht von rechts nach links, regte sich nicht über mich auf, er machte noch nicht einmal diese komischen Klangbilder, die Leanders Truppe durch mein Zimmer gesendet hatte.
    Aber warum konnte ich ihn überhaupt sehen? Plötzlich fiel mir wieder das Gespräch ein, das Leanders Vater am Schluss mit Leander und Leanders Mutter geführt hatte. Mit irgendetwas war Leanders Mutter nicht einverstanden gewesen. »Er?«, hatte sie gefragt, und Leanders Vater hatte etwas von »Methoden« gesagt und dass er gut sei. Natürlich, dabei war es um mich gegangen! Sie hatten meinen neuen Wächter bestimmt. Was waren das nur für Methoden, von denen Nathan gesprochen hatte? Meine Angst kam zurück und ich musste mich mit aller Macht zwingen, nicht aufzuschreien und aus dem Zimmer zu rennen. Doch selbst das würde keinen Sinn machen – dieses Wesen war mein Wächter, er würde mir folgen. Es war nutzlos wegzulaufen.
    Außerdem – er wirkte auf mich nicht gefährlich. Ja, ich fühlte mich beobachtet und kontrolliert, aber ansonsten hing er nur silbrig da oben in der Luft, bewegte sich nicht von der Stelle und hielt seine Augen geschlossen. Und wackelte wie Pudding. SpongeBob, dachte ich in tiefster Verachtung. Amöbe. Langweiler. Er reagierte nicht. Also konnte er keine Gedanken lesen. Das kam mir sehr gelegen.
    Ich ließ mich zurück auf meine Matratze fallen, denn die Müdigkeit war nun so stark, dass ich nur noch eines wollte: schlafen. Ich verstand das zwar nicht, denn eigentlich sollte es unmöglich sein, jetzt zu schlafen. Aber es war nicht unmöglich. Es war sogar leicht. Das leise Zirpen, das ab und zu von der Amöbe herüberwehte, war wie ein sanftes, immer gleiches Lied, das mich einlullte.
    Und es dauerte nur wenige Atemzüge, bis ich fest eingeschlafen war.

Tub, blind und stumm
    Nun waren es also zwei Wesen, die mir beim Training jegliche Konzentration raubten. Mogwai, der mich ununterbrochen anstarrte, und SpongeBob, der mich ununterbrochen nicht anstarrte. SpongeBob hing über Mogwai, hielt seine Augen fest geschlossen und wabbelte tatenlos vor sich hin. Leander hatte seine Lider gesenkt, wenn er einen auf normalen Körperwächter machte, um von den anderen nicht enttarnt zu werden. Doch diese Amöbe, die mir nun nicht mehr von der Seite wich, hielt die Augen fest geschlossen. Nicht ein einziges Mal hatte er sie bisher auch nur einen Spalt weit geöffnet. Ich fragte mich ernsthaft, wie er so auf mich aufpassen wollte.
    Doch er ließ mich nur allein, wenn ich ins Bad ging. Am Morgen nach seinem plötzlichen Erscheinen verkniff ich es mir so lange, aufs Klo zu gehen, bis mir fast die Blase platzte. Aber die Amöbe machte tatsächlich vor der Tür halt und ich sah nur ihr schwaches Licht unter dem Türspalt flackern. Doch eigentlich wäre es sowieso egal gewesen – sie tat ja alles mit geschlossenen Augen.
    Und das hatte eine lähmende Wirkung auf

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