Verdammt feurig
keine Lust mehr zu trainieren? Das hatte es noch nie gegeben. Im Gegenteil, ich war immer traurig gewesen, wenn es dunkel wurde und wir nach Hause gehen mussten. Heute hatte ich mich auf mein Zimmer gefreut. Gefreut! Aber ich erinnerte mich noch gut daran, wie es vor den Ferien gewesen war … das Kribbeln im Bauch, als David Belle mir die Hand gegeben und meinen Run gelobt hatte. Das konnte doch nicht alles vorbei sein!
»SpongeBob ist schuld«, knurrte ich. »Diese beknackte Amöbe bringt mich komplett durcheinander.« Mogwai seufzte leise und drehte sich pupsend auf die andere Seite.
Im Grunde war es vollkommen logisch, dass die Amöbe mich verwirrte. Es hatte keinen Sinn, wenn man seinen Körperwächter sehen konnte. Jeder würde abgelenkt sein! Gut, ich war auch bei Leander abgelenkt gewesen, sehr sogar, aber mit dem hatte ich wenigstens reden können. Er hatte einen Körper gehabt und er hatte mit mir gesprochen. Viel zu viel, okay, aber es war immer noch besser, als einen blinden Schwamm über sich zu haben, der immer nur flimmerte und ansonsten gar nichts machte. Ich glaubte außerdem nicht, dass er mich beschützen konnte. Er schlug ja nie seine Augen auf. Und dadurch, dass ich ihn sehen konnte, hatte ich mich an nur einem einzigen Tag verändert.
»Ich muss ihn ansprechen«, entschied ich leise. »Es geht nicht anders. Sorry, Leander. Aber ich spiele jetzt mit offenen Karten.«
Leander hatte mich angebettelt, so zu tun, als könne ich keine Körperwächter sehen. Aber nun war es genug. Erst hatte Leander mein Leben durcheinandergewirbelt und nun tat es SpongeBob. Ich musste ihm sagen, dass seine Anwesenheit keinen Sinn ergab. Und zwar jetzt gleich.
Er wartete auf dem Flur auf mich, als ich aus dem Bad kam, und folgte mir zuverlässig wie seit der ersten Minute in mein Zimmer, wo er seine Position über meinem Schreibtisch einnahm. Ich setzte mich aufs Bett und verschränkte meine Arme.
»Hey, Schwamm. Ich weiß nicht, warum, aber ich sehe dich und du gefällst mir nicht.«
Keine Reaktion. Er schlug nicht einmal seine Augen auf. Nur das immer gleiche Wabbeln, wie eine feuchte Nebelschwade, die sich einfach nicht auflösen wollte.
»Okay, vielleicht war das nicht deutlich genug. Strenger Scheitel, Nickelbrille, geschlossene Augen, zartgrau, leuchtend. Du bist ein Körperwächter. Ich weiß von euch. Ich weiß alles«, setzte ich mutig hinterher und wartete darauf, dass er ein ebensolches Drama veranstalten würde, wie Leander es getan hatte, als ich ihm gezeigt hatte, dass ich ihn sehen und hören konnte.
Die Amöbe regte sich immer noch nicht.
»Hallo, du da!«, rief ich etwas lauter. »Es hat keinen Zweck, hier zu sein! Du lenkst mich ab, weil ich dich sehe; es ist besser, wenn du verschwindest! Soll ich das Fenster aufmachen?«
Wieder nichts. Oje. Er war also wirklich gestört. Sky Patrol hatte offensichtlich nicht viel für mich übrig. Erst hatte ich einen überdrehten und stinkfaulen Wächter bekommen und nun einen taubstummen, blinden Wächter. Er hörte mich nicht! Und ich wusste von Leander, dass alle Körperwächter die Menschensprache beherrschten, um uns besser beschützen zu können. Wenn sie wollten, konnten sie sie auch benutzen. Seine Familie jedenfalls hatte ich verstanden.
Die Amöbe hätte längst irgendetwas dazu sagen müssen! Jetzt konnte ich nur noch eins tun – darauf hoffen, dass SpongeBob wie die anderen Wächter seinen Nachtflug machte und ich ein, zwei Stunden allein sein konnte. Denn so schön war unser Bad nicht, dass ich die ganze Zeit dort verbringen wollte. Außerdem erinnerte es mich zu sehr an Leander, sinnlos im Bad herumzusitzen.
Ich duschte, zog mir meinen Pyjama an, legte mich tief eingewickelt in meinen Deckenkokon bäuchlings aufs Bett und wartete. Wartete. Wartete. Immer noch sah ich das sanfte Flackern, das von der Amöbe ausging. Doch nachdem die Kirchturmuhr Mitternacht geschlagen hatte, wurde der Lichtschein auf einmal schwächer und verschwand.
»Gott sei Dank«, murmelte ich. Jetzt konnte ich Situps trainieren. Vielleicht auf die Fensterbank springen und einen Salto auf mein Bett machen. Abrollen üben.
Doch ich war so müde und erleichtert, dass ich sofort einschlief.
Überraschungsbesuch
»Aufwachen! Sofort! Luzie! Wach auf!!!«
Nein. Das musste ein Traum sein. Das konnte nur ein Traum sein.
»Luzie, verdammt, wir haben nicht viel Zeit. Ist er weg? Er ist doch weg, oder? Oh Gott, hoffentlich ist er weg, sonst bin ich verloren …«
Etwas
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